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© 2005 - Shuichi Shindou / Sabrina Winterberg - Schweiz / Suisse / Svizzera / Svizra / Switzerland.
Alle Rechte vorbehalten. All rights reserved.
Yu taten alle Glieder weh. Am liebsten währe er am nächsten Tag im Bett geblieben. Aber Ri war in der Hinsicht erbarmungslos. Also musste Yu sich aus dem Bett und in die Schule schleppen.
Den Weg zum Bahnhof und vom Bahnhof zur Schule legte er im Halbschlaf zurück. Plötzlich fiel ihn jemand von hinten an. Yu schrie auf und drehte sich ruckartig um. Vor ihm stand Mako.
„Na, wieder fit?”, fragte Mako.
„Wie? Fit?”, entgegnete Yu verwirrt.
„Na, am Samstag warst du doch krank. Was hattest du denn?”
„Ach, das. Ich war nur ein bisschen erkältet.”
Yu grinste verlegen. Der Gedanke, dass er Mako gerade angelogen hatte, behagte ihm eigentlich gar nicht. Von nun an musste er jeden belügen. Die Menschen über seine Herkunft als Guardian und Die Guardians über seine Beziehung zu Ri und Shui.
Yu schlich neben Mako den Weg entlang. Er war schon fast am einschlafen als plötzlich etwas seine Aufmerksamkeit erregte. Er wusste nicht was. Yu sah nach rechts.
Da stand ein Mädchen mit langen weissen Haaren die ihr bis zu den Hüften reichten. Sie stand am Zaun der das Schulareal von der Strass trennte und sah auf das Grundstück. Wie wenn sie Yus Blick gespürt hätte, drehte sie sich zu ihm um. Ihre Augen waren so hell, dass man fast meinte sie hätte keine Iris.
Ihr Blick schien Yu festzunageln. Ihm war, als wollte sie seine Gedanken lesen. Dann plötzlich, drehte sie sich um und lief davon.
Das Mädchen ging Yu nicht mehr aus dem Kopf. Er konnte an nichts anderes mehr denken. Erst als er im anschliessenden Sportunterricht den Fussball an den Kopf gesemmelt bekam, gelang es ihm, seine Gedanken etwas anderem zuzuwenden. Und für den Rest des Tages war sie aus seinen Gedanken verschwunden.
Als Yu nach Schulsluss das Schulgebäude verlies, begann es zu regnen. Yu war genervt.
Die Strassen waren wie leergefegt. Bei dem Wetter wollte wohl niemand draussen sein.
Yu hatte das Gefühl, dass ihm jemand folgte. Er stand still und drehte sich um.
In der Gasse stand jenes Mädchen, dass er am Morgen vor der Schule gesehen hatte. Die Regentropfen hingen wie Glasperlen in ihren Haaren. Ihr Blick wirkte kalt wie Eis.
„Bist du Yu Mizuno?”, fragte sie ohne grosse Mimik.
„J- ja.”, stotterte Yu. Woher kannte sie seinen Namen?
Das Mädchen sprang in die Luft. Yu war verblüfft. Sie sprang mindestens vier Meter hoch. In der Luft stiess sie Yu ihre Arme entgegen. Plötzlich flogen Eiszapfen wie Pfeile durch die Luft. Yu versuchte den Geschossen auszuweichen. Er duckte sich sprang in die Luft bog sich nach links und rechts. Einer der Eiszapfen streifet ihn an der Wange. Da erinnerte sich Yu, was ihm Ri als erstes beigebracht hatte, sich zu verteidigen. Yu stellte sich dem Mädchen entgegen und kreuzte die Arme vor der Brust. Er konzentrierte sich und sah dem Mädchen in die Augen. Ihr Blick hatte etwas seltsames.
Yu spürte wie die Hitze Wieder in seinem Körper aufstieg. Die Eiszapfen stoppten nur wenige Zentimeter vor seinem Körper und fielen klappernd zu Boden.
„Wer Bist du? Was willst du von mir?”, rief Yu empört.
Das Mädchen schwebte wieder auf den Boden. Sie sah Yu an.
„Keine Sorge.”, sagte sie. „Ich tue dir nichts. Ich wollte nur wissen ob meine Vermutung richtig ist.”
Sie wandte sich um und wollte gehen.
„Warte!”, rief Yu.
„Wer bist du eigentlich?”
Das Mädchen drehte sich noch mal zu Yu um und sagte: „Ich heisse Hei Xie.”
„Da bin ich wieder.”, rief Yu als er die Tür hinter sich geschlossen hatte. Er bekam keine Antwort.
„Ri? Ri bist du da?”
Yu ging ins Wohnzimmer. Ri stand an der Verandatür und sah durch das leicht beschlagene Glas nach draussen in den dunklen Garten. Ri bemerkte Yus Spiegelbild in der dunklen Scheibe.
„Da bist du ja.”, sagte Ri mit einem leicht gequälten Lächeln. „Wie siehst du denn aus?!”
Yu sah an sich hinunter. Erst jetzt bemerkte er, dass er voller Kratzer war. Ri sah ihn mit besorgter Miene an und Yu glaubte sogar eine Spur Angst in seinen Augen zu erkennen.
„Ach das”, sagte Yu lässig. „Ich bin nur gestolpert. Nichts ernstes.”
Yu lachte und Ris Gesicht entspannte sich. Ri stiess einen erleichterten Seufzer aus. Yu wusste nicht wieso aber er konnte Ri einfach nicht von dem Mädchen erzählen. Er hatte das Gefühl, dass sie ihm nicht hatte schaden wollen. Aber was hatte sie dann gewollt?
Yu hört, wie die Haustür aufging und gleich wieder geschlossen wurde. Ein Minute später trat Shui ins Wohnzimmer.
„Ach, hier seid ihr also.”, sagte Shui breit grinsend.
„Shui, was machst du denn hier?”, fragte Yu verwundert.
„Na, darf man denn nicht mal mehr bei seinen Brüdern sein?”
„Shui wohnt ab jetzt auch hier.”, sagte Ri.
„Echt?”, rief Yu strahlend
„Ja, ich dachte, nach dem Vorfall gestern währe es besser, wenn wir drei zusammen sind.”
Yu lachte aber Ri machte ein ernstes Gesicht, sogar Shui blickte ernst drein und von ihm war sich Yu so etwas ja nicht gewohnt. Yu sah betreten zu Boden. Er ahnte ja noch nicht in welch grosser Gefahr er sich befand.
In den nächsten Tagen geschah nichts aussergewöhnliches. Die Sonne ging auf und wieder unter. Die Nächte gingen und die Tage kamen und mit ihnen auch die Schule. Yu trainierte jede freie Minute mit Ri und Shui um möglichst schnell stärker zu werden.
Es war ein strahlend schöner Samstag. Die Schulglocke hatte geläutet und die Schüller soeben in die Freiheit entlassen. Yu blinzelte in die tiefstehende Sonne. Er fühlte sich pudelwohl.
Am Schultor aber sah er etwas, was in ihm eher Unbehagen auslöste.
Dort am Tor stand Hei Xie. Sie lehnte mit dem Rücken gegen den Torpfeiler. Ihr weisses Haar schimmerte in der Abendsonne. Sie schien irgendwie in den Abend hinauszuträumen. Yu tat so als hätte er sie nicht gesehen und lief schnurstracks an ihr vorbei.
„Wo willst du denn so schnell hin, Yu?”
Yu erstarrte und starrte sie an.
„Na, was ist das denn für eine Art? Sagt man denn heute nicht mehr Hallo?”
„Ha- hallo, H- hei Xie.”, stotterte Yu.
„Ach, du hast dir sogar meinen Namen gemerkt, das find ich aber nett.”
Yu lächelte nur schnell so gezwungen und lief dann an ihr vorbei. Aber Hei Xie lief ihm einfach hinterher. Yu lief etwas schneller. Hei Xie beschleunigte ebenfalls ihren Schritt.
Yu lief kreuz und quer durch die Strassen aber seine Verfolgerin war nicht abzuschütteln. Nach einer weile hatte Yu genug. Er blieb stehen, drehte sich um und sah Hei Xie in die Augen.
„Was zum Himmeldonnerwetter willst du von mir?!”, schrie Yu. „Wer bist du? Was willst du von mir? Warum läufst du mir nach und was sollte die Nummer neulich?”
„Nicht so laut wenn ich bitten darf.”, sagte Hei Xie. „Ich bin ja nicht schwerhörig. Also ich bin ein Guardian. Wie ich dir schon gesagt habe wollte ich einen Verdacht überprüfen. Die Nummer neulich war nur ein Test. Ich hatte nicht vor dich zu verletzen.”
„Dafür hab ich aber nen Schreck fürs leben gekriegt.”
„Kann ich was dafür, dass du so schreckhaft bist? Wie ich schon sagte, wollte ich dich testen. Du hast mich nicht enttäuscht.”
„Wie? Nicht enttäuscht? Ich glaub du hast sie nicht mehr alle!”
„Werd nicht frech!”
„Ach, du kannst mich mal!”
Wütend stapfte Yu davon. Hei Xie, mittlerweile genauso geladen, folgte ihm.
„Bleib stehen. Du könntest mir wenigstens mal zuhören. Du bist ganz schön frech.”
Yu reagierte gar nicht mehr. Das mochte sie gar nicht leiden und wurde nur noch wütender.
Sie folgte Yu bis vor sein Haus. Und sie wurde immer lauter.
„Bleib endlich stehen und hör mir zu! Du kleiner Rotzbengel bleib endlich stehen!”
„Rotzbengel? So was muss ich mir von so einer Spinatwachtel wie dir nicht bieten lassen.”
„Na warte. Das hast du nicht umsonst gesagt.”
Hei Xie packte Yu am Kragen und hob ihn in die Luft.
In dem Moment ging hinter ihm die Tür auf und Shui kam aus dem Haus. Yu drehte sich nach Shui um.
„Was macht ihr denn hier?”, sagte Shui und sah die beiden verwundert an.
„Halt du dich da raus.”, fauchte Hei Xie Shui an.
„Yu, sag mal wer ist dieses Gör eigentlich?”
Hei Xie liess Yu wieder los.
„ähm... na ja.. das ist...”, stammelt Yu.
„Wie auch immer. Ich will dir mal was sagen Kleine. Wer sich mit meinem Brüderchen anlegt, bekommt es mit mir zu tun.”
Bei diesen Worten legte Shui seine Arme um Yus Schultern. Yu wussten nicht was er machen sollte aber wenn er nichts unternahm würde sich Shui jeden Moment verplappern.
„Was Soll der Lärm!”, rief Ri, der mittlerweile auch nach draussen gekommen war.
Ri blieb stehen und sah die drei genau an.
„Bist du eine Freundin von Yu?”, fragte Ri Hei Xie.
„Ja, so kann man das sagen.”, antwortete sie grinsend.
„Freut mich dich kennen zu lernen.”
„Mich auch. Sie sind also Yus Brüder. Darf ich fragen wie sie heissen.”
„Mein Name ist Ri und dieser Kopf mit heisser Luft dort heisst Shui.
Hei Xies Augen weiteten sich ein bisschen.
„Ach, das seid ihr? Das ist ja interessant. Ich bin übrigens Hei Xie aber Xie reicht.”
„Hei Xie?!”, riefen Ri und Shui wie aus einem Mund.
„Ist daran etwas besonderes?”, fragte Yu neugierig und befreite sich aus Shuis Umarmung.
„Hei Xie ist eine sehr starke Kriegerin. Sie ist aber eher im Westen tätig.”, sagte Ri.
„Ihr habt also schon von mir gehört”, sagte Xie.
„Ich habe auch schon einiges von euch beiden gehört. Allerdings hätte ich nie gedacht, dass der grosse Ri mit Shui verwandt ist. Ich meine mit so einer Trantüte.”
„Wer ist hier eine Trantüte?!”, verteidigte sich Shui.
„Ist doch wahr.”
„Willst du ärger?”
„Immer doch.” Xie hob die Fäuste.
Yu und Ri sahen sich gegenseitig an.
„Was geht hier eigentlich ab?”, fragte Yu.
„Ich hab auch keine Ahnung.”, antwortete ihm Ri.
„Sag mal Xie, was machst du eigentlich hier. Soviel ich weiss ist den Gebiet doch weiter im Westen, was hat dich denn hier her verschlagen?”
„Oh, das ist schnell erklärt.”, sagte Xie und liess Shui links liegen.
„Ich hab vor ein paar Tagen von einem Jungen gehört, der bemerkenswerte Kräfte haben soll. Ausserdem gehen in der Unterwelt Gerüchte herum, nach denen Ri und Shui, also ihr, etwas mit diesem Jungen zu tun haben. Das wollte ich halt mal nachprüfen. Und so wie^s aussieht hatte ich recht.”
„Tja, so wie^s aussieht. Du hast recht gehabt, wir drei sind Brüder. Ich muss dich aber bitten es für dich zu behalten. Wenn das rauskommt, dann ist Yu in grosser Gefahr.”
„Tja und das währ fatal für einen Halbblüter wie ihn. Wenn die Sache so ist, werd ich euch helfen.”
„Helfen?”, platzte Shui heraus.
„Wobei? Yu können wir auch ohne dich beschützen. Dazu brauchen wir dich nicht.”
„Und wer, wenn ich fragen darf, beschützt deinen Bruder vor dir?”
„Du wagst es...”
„Shui!”, fuhr Ri dazwischen.
„Xie, du währst mir wirklich eine grosse Hilfe.”
„Und mich fragt keiner?!”, meldete sich Yu.
„Hast du denn etwas dagegen?”, fragte Ri.
„ähm, eigentlich scheint sie ganz nett zu sein.”
„Also, dann ist es ja beschlossen.”, sagte Xie lachend und legte ihren Arm um Yu.
„Und wo willst du bleiben?”
„Ich weiss nicht.”
„Kann Xie denn nicht hier bei uns bleiben, Ri? Du hast doch gesagt wir sollen alle zusammenbleiben.”
„Warum nicht?”, sagte Ri.
„Das ist eine gut Idee.”
„Veto!”, rief Shui energisch.
„Die kommt mir nicht ins Haus.”
„Es ist ja eigentlich mein Haus Shui.”
„Aber ich bin Mitbewohner. Das heisst ich darf mitbestimmen.”
„Also gut. Wer dafür ist, dass Xie hier einzieht, soll sich melden.”
„Ich bin dafür”, sagte Yu
„Gut ich auch. Stimmen dagegen?”
„Ich!”, meldete sich Shui.
„Zwei gegen einen. Du bist überstimmt Shui.”
„Toll!”, rief Xie.
„Also dann Shui, auf gute Zusammenarbeit.”
Xie klopfte dem schmollenden Shui so feste auf den Rücken, dass dieser von der Wucht des Schlages vorn überfiel.
So kam es, dass sich Xie bei den dreien einquartierte.
Es war früh am nächsten Morgen. Es war Sonntag, also genug Zeit zum ausschlafen. Yu lag aber schon um drei Uhr morgens wach. Er konnte einfach nicht weiter schlafen. Also beschloss er, sich mit irgendetwas zu beschäftigen. Er ging hinunter in die Küche. Aus der Garage war Gerumpel zu hören. Vorsichtig öffnete Yu die Tür zur Garage. Das Licht war an. Shui lag unter seinem Motorrad und werkte irgendwas daran rum. Yu ging vorsichtig auf ihn zu. Dabei stiess er versehentlich ein metallene Büchse vom Tisch. Die Büchse fiel scheppernd zu Boden. Shui schreckte hoch und stiess sich den Kopf an seiner Maschine.
„Shui, alles in Ordnung?”, rief Yu und half ihm hoch.
„Ja, alles noch dran.”, sagte Shui und rieb sich den Kopf.
„Was machst du denn hier, so früh?”
„Das gleiche könnte ich dich fragen. Warum fuhrwerkst du so früh am Morgen in der Gegend rum?”
„Ich konnte nicht mehr schlafen. Da fiel mir wieder ein, dass bei meiner Maschine etwas mit dem Motor nicht stimmt. Ich dachte, wenn die Aussichten auf Schlaf heute sowieso gering sind, kann ich mich auch gleich darum kümmern. Dann ist die Zeit wenigstens sinnvoll genutzt.”
Shui kroch wieder unter das Motorrad. Yu setzte sich daneben auf den Boden.
„Kannst du mir mal den Schraubenschlüssel rübergeben?”, sagte Shui und zeigte auf den Werkzeugkasten. Yu ging hinüber, holte den Schraubenschlüssel heraus und reichte ihn Shui.
„Sag mal, was hälst du eigentlich von Hei Xie?”, fragte Yu.
„Von Xie? Was soll ich schon von einer Person halten die bis zwei Uhr morgens Karateübungen in ihrem Zimmer macht.”
„Also, ich hatte das Gefühl, dass sie eigentlich ganz nett ist.”
„Mag sein. Mir ist sie allerdings nicht ganz geheuer.”
„Wieso?”
„Weiss nicht. Ich hab^s einfach nicht so mit Leuten die sich über alles hinweg setzen.”
„Du meinst, du magst keine Mädchen, die deine Autorität untergraben.”
„Wie kommst du da drauf?!”
„Na ja, Xie hat sich nicht gerade beeindruckt gezeigt.”
Shui wusste nicht, was er antworten sollte.
„Sag Shui, wer ist Xie eigentlich? Ich meine Ri schien sie zu kennen.”
Shui kam unter seiner Maschine hervor und setzte sich neben Yu.
„Na ja, eigentlich kennen wir Xie schon, einfach nicht persönlich. Weisst du, Xie ist auch ziemlich berühmt. Die Erde ist in verschiedene Gebiete unterteilt. In jedem Gebiet gibt es so etwas wie einen Hauptmann, einen Truppeführer, wenn man so will.
Im westlichen Gebiet, also Europa und so, ist Xie die die das Sagen hat. Hier bei uns ist es Ri. Verstehst du.”
„Ri ist ein Hauptmann?!”
„Jep, ein sehr guter sogar, wenn man das sagen darf. Tja und die Führer kennen sich gegenseitig ein bisschen. Die Führer nennt man Jian. Die Jian sind direkt dem Rat unterstellt. Das heisst, dass sie die ranghöchsten Guardians sind.”
„Ganz genau.”, rief ein Stimme von der Tür her.
Yu drehte sich im. Unter dem Türrahmen stand Xie.
„Xie, warum bist du noch auf?”, fragte Shui verwundert.
„Bei den Geschepper kann doch kein Mensch schlafen.”
„Das sagt grad die Richtige. Du bist doch die die bis vor einer Stunde noch die Möbel tangiert hat!”
„Das war doch nur ein bisschen Training. Das würde dir auch mal gut tun, wenn du ein Jian werden willst.”
Shui schwieg. Yu hatte das Gefühl, dass Xie ihn an einer empfindlichen Stelle getroffen hatte. Shui biss sich auf die Lippen. Seine Hände verkrampften sich.
„Wisst ihr, ihr zwei würdet eigentlich gut zusammenpassen.”, sagte Yu um das Thema zu wechseln.
„Was?!!”, riefen beide wie aus einem Mund.
„Wieso eigentlich nicht?”. Sagte Xie, legte einen Arm um Shui und blickte ihm tief in die Augen.
Shui versuchte sich aus Xies Umarmung zu befreien indem er einen Schritt rückwärts trat. Dabei stolperte er über sein Motorrad und landete unsanft auf dem Boden.
Yu versuchte sich das Lachen zu verkneifen aber Xie lachte aus vollem Hals.
„Oh je Shui! Du bist echt ein Trottel!”, grölte sie.
„Gratuliere.”, unterbrach eine Stimme Xies Lachanfall. Ri stand in der Tür.
„Um das festzustellen hab ich nur fünf Minuten gebraucht. Sagt mal, was soll eigentlich der Lärm so früh am Morgen?”
„Och, wir haben nur ein bisschen geplaudert.”, sagte Shui und rappelte sich hoch.
„Das hat sich für mich eher nach etwas mehr Spass angehört.”
„Na ja.”, sagte Xie kritisch.
„Bei dem Körper würd ich nicht nein sagen aber bei dem was er im Kopf hat. Da wärst du mir schon lieber Ri.”
„Was soll das denn schon wieder heissen!”, rief Shui empört.
Ri schüttelte nur den Kopf, drehte sich um und ging. Unter der Tür drehte er sich noch mal zu ihnen um.
„Wollt ihr euer Gespräch nicht im Wohnzimmer weiterführen? Es währe wärmer.”
Fünf Minuten später sassen sie alle im Wohnzimmer. Shui sass Xie gegenüber und sah sie feindselig an. Ri und Yu sassen auf dem Sofa.
„Kann ich dich mal was fragen, Xie?”, fragte Yu um die Stille zu durchbrechen.
„Natürlich, tu dir keinen Zwang an. Was willst du denn wissen?”
„Du sagtest, dass du von mir gehört hast. Ich wollte nur wissen, was du gehört hast und wieso dich das so interessiert.”
„Nun, wie ich schon sagte, kutschieren in der Unterwelt einige Gerüchte. Ein Unterweltler prahlte, dass es ihm gelungen sei Orions Burg anzugreifen. Mir ist es gelungen ihn ein bisschen auszuquetschen. Dabei erfuhr ich, dass sein Vorhaben wegen einem kleinen Jungen fehlgeschlagen ist. Es hat mich ganz schön Mühe gekostet, den Namen aus ihm raus zu kitzeln.
Tja und da ich von Natur aus neugierig bin, wollte ich natürlich herausfinden, was an der Sache dran ist.
Ach, da fällt mir ein. Ich hab da noch was anderes mitbekommen. Der Unterweltler sagte, dass er vermutet, dass Yu irgendetwas mit euch zu tun hat.”
„Was? Der Typ neulich, der hat doch wohl keinen Verdacht, oder?”, fragte Shui aufgeregt.
„Wenn, dann nur weil du mal wieder nicht die Klappe halten konntest!”, rief Ri grimmig.
„Was? Wie? Ich?”
„Ja, du! Nur weil du Hornochse mal wieder gequasselt hast ohne vorher nachzudenken! Manchmal frage ich mich ob du ausser Sägespäne nichts im Kopf hast!”
„Hey, jetzt werd doch nicht gleich beleidigend.”, verteidigte sich Shui.
„Ich hatte eine Gehirnerschütterung.”
„Auf den Kopf gefallen bist du ja sonst auch aber so was hast du noch nie abgezogen.”
„Mich wundert^s, dass etwas erschüttern kann was nicht da ist.”, sagte Xie nebenbei.
„Du hälst dich da raus!”
„Sei still Shui!”, schrie Ri, der mittlerweile aufgestanden war.
„Sei bitte einfach still!”
„Sei doch bitte nicht so streng Ri.”, sagte Yu und packte Ri am Arm.
„Shui hat das doch nicht mit Absicht gemacht.”
Ri sah Yu an, dessen Hände sich an seinen Arm klammerten. Ri liess seinen Blick zu Shui hinüber schweifen. Shui sagte kein Wort. Ri seufzte.
„Es tut mir Leid.”, sagte Ri leise.
„Ich war ein bisschen aufbrausend. Mich hat einfach die Tatsache geschockt, dass die Unterweltler womöglich über uns bescheid wissen.”
„Ich weiss doch, dass du nur um Yu besorgt bist.”, sagte Shui.
„Aber ich bin auch Yus Bruder. Ich will ihn doch auch beschützen. Ich könnte mich selber ohrfeigen wegen der Sache.”
„Dan tu^s doch”, sagte Xie.
Shui wollte gerade auf Xie los, als sein Blick auf Yu fiel. Er sass da und dachte nach.
„Worüber denkst du nach?”, fragte Shui.
„Was heisst Xie?”, fragte Yu.
„Warum willst du das wissen?”, fragte Ri.
„Unsere Namen sind chinesisch und haben Bedeutungen. Hei Xie ist auch chinesisch. Hei heisst schwarz, das weiss ich aber was heisst Xie?”
„Es heisst Blut.”, sagte Xie.
„Blut? Dann ist dein Name also schwarzes Blut?”
„Ja.”, antwortete Xie mit trauriger stimme.
Ri räusperte sich um Xie auf sich aufmerksam zu machen.
„Aber trotzdem Xie. Warum bist du eigentlich hier? Ich meine, du wolltest doch sicher nicht nur Yu testen um einen Verdacht zu bestätigen.”
„Ich hatte einen Verdacht, der sich nicht nur auf Yu beschränkte. Was dich anging, war ich schon länger misstrauisch. Ich kenne die Geschichte von General Long. Ich wusste auch von seinen beiden Söhnen, also euch und auch, dass er noch eine dritten Sohn hatte, der zu der Zeit erst ein Jahr alt gewesen war. Als du vor sieben Jahren zum Jian wurdest, hatte ich schon einen leisen Verdacht und als vor zwei Jahren auch noch Shui kam, wurde ich in Meiner Annahme noch mal bestärkt. Tja und dann stiess ich bei einer meiner Spionagezügen in der Unterwelt auf die Sache mit Yu. Ich dachte, dass kann unmöglich ein Zufall sein. Der Test war eigentlich ein spontaner Entschluss.”
„Ein spontaner Entschluss?!”, rief Shui dem langsam das Blut in den Kopf stieg.
„Ja, mir war nach der langen Reise halt langweilig. Da wollte ich halt mal rausfinden, was er so kann.”
Shui konnte sich nicht mehr beherrschen. Er konsentrierte seine Energie und wollte Xie attackieren.
„Kühl dich ab.”, sagte Xie, hob die Hand und schnipste mit den Fingern.
Shui erstarrte. Yu erschrak. Shui tat keinen Wank mehr. Yu tippte Shui vorsichtig an.
„Er ist eiskalt!”, rief Yu entsetzt.
„Ja, ich hab ihn mal schnell auf Eis gelegt.”, sagte Xie amüsiert.
„Lass den Quatsch.”, sagte Ri und legte seine Hand auf Shuis Schulter.
Shuis Körper wurde langsam erwärmt. Dann bewegte er sich mit einem Ruck plötzlich wieder.
„Sag mal, bist du eigentlich noch ganz dicht?!”, schrie Shui als ihm klar geworden war, was passiert war.
„Ich hätte erfrieren können!”
„Mach dich nicht lächerlich. Beim einfrieren ist noch niemand ums Leben gekommen. Dabei werden nur deine Lebensgeister lahmgelegt. Dass der Körper kalt wird ist nur eine Nebenwirkung.”
„Wo waren wir stehen geblieben?”, fragte Ri ohne auf das Gezanke der beiden einzugehen.
„Warum ich hergekommen bin.”, sagte Xie.
„Also gekommen bin ich, weil ich dich warnen wollte. Ich dachte, wenn ich recht haben sollte, dann könnte dein Bruder in grösserer Gefahr sein, als du denkst.”
„Meinst du?”
„Allerdings, darum will ich euch ja auch helfen. Wenn die Unterweltler nur halb so schnell denken wie ich, dann stehen spätestens nächste Woche dreiduzend von denen vor der Tür.”
„Das könnte ein Problem geben.”
„Wo liegt das Problem?”, fragte Yu.
„Warum ist das für diese Unterweltler von solchem Interesse, dass ich euer Bruder bin?”, „Weißt du Yu, das ist eine sehr pikante Sache.”, sagte Ri.
„Es gibt viele die sich an mir rächen wollen. Da käme es ihnen gerade recht, wenn sie dich in die Finger bekämen. Die Tatsache dass du Halbblüter bist macht die Sache nur noch gefährlicher.”
„Halbblüter? Traust du mir etwa nicht zu, dass ich mich wehren kann? Versteckst du mich deshalb?”
„Nein, Yu du verstehst das falsch.”
„Ich möchte bitte allein sein.”
Yu drehte sich um und verliess den Raum.
„Ich glaube er ist verletzt.”, sagte Xie.
„Ach sei doch still.”, schnauzte Shui.
„Seit du hier bist haben wir nur Stress. Was Interessiert dich Yu überhaupt? Ich meine du hast doch überhaupt keine Ahnung von gar nichts. Wir sind eine Familie und passen auf einender auf. Und du meinst du kannst da jetzt einfach so reinplatzen? Geh doch einfach nachhause und kümmere dich um deine eigene Familie.”
Xies Gesichtsausdruck versteinerte.
„Tut mir Leid.”, sagte Xie mit einer leichten Verbeugung.
„Ich will mich nicht in eure Familie drängen. Ich wollte nur helfen.”
Xie wandte sich um und liess Shui und Ri allein.
Ri hob die Hand und schlug Shui gegen den Hinterkopf.
„Aua! Wofür war das denn?”, rief Shui völlig überrascht.
„Dafür, dass du ein Idiot bist.”
Im Flur traf Xie auf Yu, der trübsalblasend an der Wand sass.
„Was hast du Yu?”, fragte Xie und setzte sich neben ihn.
„Ach, ich bin nur ein bisschen down. Ich hätte nie gedacht, dass Ri das in mir sieht.”
„Ich glaube, dass du die ganze Sache in den falschen Hals gekriegte hast.”
„Das verstehst du nicht. Ich hab sechzehn Jahre lang geglaubt, dass ich allein bin. Jetzt habe ich zwei Brüder und die sind auch noch berühmt. Ich möchte ihnen nicht zur Last fallen. Ich möchte auch so stark werden wie sie. Aber das scheint mir keiner zuzutrauen. Ich will einfach, dass Ri und Shui sagen können, dass ich ihr Bruder bin ohne dass sie befürchten müssen, dass mich gleich eine Horde Dämonen kidnappen wollen.”
„Ich kann dich verstehen Yu. Es ist nicht leicht ein Halbblüter zu sein.”
„Woher willst du das wissen?”
„Ich bin auch ein Halbblüter. Meine Mutter war ein Guardian und mein Vater ein Dämon.”
„Heisst du darum Hei Xie, schwarzes Blut?”
„Ja, meine Tante gab mir diesen Namen. Meine Mutter starb bei meiner Geburt. Meine Tante hat mich nach dem Tot meiner Mutter aufgezogen. Sie gab mir die Schuld am Tot meiner Mutter. Sie sagte immer, ich hätte schwarzes Blut. Das wurde dann auch mein Name, Hei Xie.”
„Und was war mit deinem Vater?”
„Ich weiss nicht. Er ist schon vor meiner Geburt verschwunden. Keiner weiss warum oder wohin. Ich glaube, dass er getötet wurde. Die Beziehung zwischen meinen Eltern, hat nie jemand gebilligt. Ein Guardian und ein Dämon. Das war unvorstellbar.
Meine Kindheit war der reine Horror. Ich wurde dauernd misshandelt, geschlagen und beschimpft, nur weil ich zur Hälfte ein Dämon war. Jeder sah nur den Dämon in mir, keiner wollte den Guardian sehen.
Ich hatte teils die Fähigkeiten eines Guardian und teils die eines Dämons. Ich war mein ganzes Leben lang einsam. Du siehst also Yu, ich weiss auch, was es heisst ein Halbblüter zu sein. Ich habe das auch durchgemacht.
Ich bin mir sicher, dass deine Brüder dich nur beschützen wollen, weil sie dich lieb haben. Das würden sie auch tun, wenn du ein Vollblüter wärst.
Aber das was ich dir erzählt hab, bleibt unter uns klar?”
„Ja, Xie. Ich verspreche, dass ich niemandem etwas sagen werde.”
Xie lächelte. In dem Moment kam Ri aus dem Wohnzimmer zu ihnen.
„Xie, ich muss mich bei dir entschuldigen.”, sagte Ri.
„Du darfst Shui nicht ernst nehmen. Er ist nur ein bisschen überreizt. Aber ich wär wirklich froh, wenn du uns helfen würdest.”
„Ist schon gut, schon vergessen. Dann werde ich mich mal an die Arbeit machen.”
Xie stand auf und ging.
„Wo willst du hin?”
„Ich will mich in der Sache etwas genauer informieren. Ich will herausfinden wie viel sie wirklich wissen.”
„Sei vorsichtig Xie.”, sagte Yu besorgt.
„Keine Angst, mir passiert schon nichts.”
Xie hob die Hand, zeigte mit dem Daumen nach oben und zwinkerte Yu zu.
„Ich bin bis morgenfrüh zurück.”
Mit diesen Worten lief Xie aus dem Haus und verschwand ohne Shui zu beachten, der ihr mit erstauntem Blick nachsah.
Der nächste Morgen kam aber Xie blieb verschwunden.
„Wo bleibt sie nur?”, fragte Yu besorgt.
Er und Ri sassen im Wohnzimmer. Sie warteten schon seit geraumer zeit auf Xie.
„Vielleicht ist ihr etwas zugestossen.”, sagte Yu und lief dabei im Zimmer auf und ab.
„Mach dich nicht verrückt.”, sagte Ri.
„Mach dir keine Sorgen, Yu. Xie kann gut auf sich selber aufpassen. Du solltest sowieso langsam gehen, wenn du nicht zuspäht kommen willst.”
Yu sagte nichts. Er schnallte sich seinen Rucksack auf den Rücken und ging.
Ri sah Yu noch eine Weile aus dem Fenster nach. Er machte sich eigentlich auch grosse Sorgen um Xie aber er wollte Yu nicht noch zusätzlich damit belasten.
Yu konnte kaum an etwas anderes denken. Dauernd musste er darüber nachdenken, was Xie ihm gestern anvertraut hatte. Eigentlich müsste Xie sich in der Unterwelt gut tarnen können. Yu hoffte nur, dass sie nichts unüberlegtes tat und dass sie niemand entdeckte.
Der Morgen schleppte sich quälend langsam dahin. Yu fragte sich, ob es etwas schlimmeres gab als eine Doppelstunde Mathe, die das doppelte an Zeit einzunehmen schien.
Auch in der Mittagspause konnte sich Yu nicht mit etwas anderem ablenken. Er fragte sich, ob er zuhause anrufen sollte um zu fragen, ob Xie schon nach hause gekommen war.
In Yus Kopf wirbelten die Gedanken durcheinander wie Blätter im Wind.
Was soll^s, dachte sich Yu. Es würde ja nichts an der Situation ändern, wenn er sich jetzt vor Sorgen verrückt machen würde.
Yu liess sich ins Gras sinken und lehnte sich gegen einen Baum. Er holte ein Buch von der Schulbibliothek aus seinem Rucksack und begann zu lesen. Tatsächlich gelang es ihm sich ein bisschen abzulenken.
Nach etwa einer halben Stunde, beschlich Yu auf einmal ein seltsames Gefühl. Ihm lief plötzlich ein kalter Schauer über den Rücken. Ihm war, als wenn ihn jemand rufen würde aber es war nicht auch ur das geringste zu hören. Yu schüttelte den Kopf und las weiter.
Dann hörte er es. Eine Stimme war ganz deutlich in seinem Kopf zuhören. Die Stimme sagte: „Yu. Yu, sie nach rechts.”
Yu liess das Buch sinken und drehte seinen Kopf langsam nach rechts.
Zunächst sah er nichts. Doch als sich schon wieder abwenden wollte, sah er eine Gestalt zwischen den Bäumen des Schulgeländes. Yu sah genauer hin. Es war Xie.
Yu sprang auf und rannte zu ihr hinüber. Einerseits war er erleichtert sie endlich zu sehen, andererseits sorget er sich immer noch.
Xie lehnte sich gegen den Baumstamm. Yu blieb einige Meter von ihr entfernt stehen. Xie sah müde aus. Sie hatte wohl die ganze Nacht nicht geschlafen. Ihre Kleider waren schmutzig und an manchen Stellen zerrissen. In ihrem Gürtel steckte eine lange Schwertscheide die mit weissem Leder bespannt war. Das Leder war mit einer dunklen Flüssigkeit beschmiert, die verdächtig nach Blut aussah.
„Xie, bist du in Ordnung?”, fragt Yu aufgeregt.
„Ja, es geht schon.”, gab Xie zur Antwort.
Xie taumelte. Yu stand mit einem Satz neben ihr und packte ihre Arme, damit sie nicht umfiel. Als Yu sie wieder los liess, waren seine Hände blutverschmiert.
„Du bist verletzt!”, rief Yu erschrocken.
„Ist nicht mein Blut.”, sagte Xie schlicht.
„Wir müssen schnell nach hause ich habe wichtige Neuigkeiten.”
„Warum bist du eigentlich nicht direkt nach hause?”
„Ich war in der Nähe und dachte, am besten ich hol dich gleich ab.”
Yu stützte Xie und ging mit ihr nach hause. Er meldete sich noch nicht einmal in der Schule ab.
Daheim liess Yu Xie erst mal auf dem Sofa im Wohnzimmer Platz nehmen. Yu hatte schon nach dem Telefonhörer gegriffen, um seine Brüder anzurufen, als Shui das Wohnzimmer betrat. Er war noch leicht dösig, er hatte Nachtschicht gehabt. Mit schläfrigem Blick sah er die beiden an. Er schien eine Weile zu brauchen bis er die Situation registriert hatte.
„Was machst du denn schon hier Yu?”, fragte Shui und wirkte dabei noch etwas neben der Spur.
„Solltest du nicht in der schule sein?”
„Ja, schon.”, druckste Yu.
„Aber in der Pause ist Xie plötzlich aufgetaucht. Ich glaube sie ist verletzt.”
„Verletzt?”
Shui sah zu Xie. Sie sass kerzengrade auf dem Sofa und sah zum Fenster hinaus. Langsam klärte sich Shuis Blick.
„Sie ist verletzt, sagst du?”, fragte Shui.
„Ja aber sie sagt, es sei nicht ihr Blut.”
„Das haben wir gleich.”
Shui nickte in Xies Richtung. Er ging zu ihr hinüber und setzt sich neben ihr aufs Sofa. Yu kam neugierig näher.
„Sag mal, wo warst du eigentlich so lang?”, fragte Shui.
„Bis du ausm Bett gefallen?”, fragte Xie ohne auf die ihr gestellte Frage zu antworten.
Man sah Shui aber in der tat an, dass er noch nicht lange wach war. Seine langen Haare waren noch vollkommen zerwuschelt und er trug nur seine Jeans.
„Ich hab bis eben noch geschlafen.”, sagte Shui genervt.
„Schlafmütze.”, sagte Xie.
„Ich hatte bis heute früh um vier Dienst!”
„Und ich war zwölf Stunden lang in der Unterwelt!”
„Keiner hat dich gezwungen in der Unterwelt rumzuspazieren! Ich hab Stunden lang in der Kälte gestanden um drei Drogendieler hochgehen zu lassen! Ich hätt mir fast ne Lungenentzündung geholt!”
„Ich mussten an einem ^Battle^ teilnehmen um nicht aufzufliegen.”
„Du hast an einem Battel teilgenommen?”
„Ja, hätt ich das nicht getan, wär ich voll aufgeflogen.”
„Was ist eigentlich ein Battle?”, fragte Yu.
„Ein Battle ist ein Wettkampf”, sagte Shui. „Zwei Dämonen Kämpfen miteinander um einen bestimmten Einsatz. Meistens dienen diese Wettkämpfe zur Unterhaltung, manchmal aber auch als Gericht. Die Regeln sind einfach. Alles ist erlaubt, der Sieger ist der, der am Ende noch lebt.”
„Wie brutal. Das ist ja barbarisch. Soll dass heissen, das Xie sich auf so einen Wettkampf eingelassen hat?”
„Natürlich.”, sagte Xie, als wenn das selbstverständlich wär.
„Regel Nummer eins, wenn ein Dämon zu einem Batttle herausgefordert wird, dann nimmt er an. Und ausser dem, wär ich nie an die gewünschten Informationen gekommen, wenn ich dafür nicht ein, zwei Opfer gebracht hätte.”
„Aber Xie, du hättest sterben können!”
„Ich? Pha! Mich werdet ihr nicht so schnell los. Der Dämon der gegen mich angetreten ist, ist jetzt schlimmer dran. Der hat Black ice zu spüren gekriegt.”
„Black ice?”
„Ihr Schwert.”
Shui rückte näher zu Xie und schob ihr T-Shirt hoch.
„Was soll das?!”, schrie Xie und trat nach Shui. „Lass diene Pfoten von mir du Perversling!”
Xie holt aus und rammte Shui ihr Knie in den Magen. Shui flog hinten über. Yu fing ihn auf und wurde von ihm mitgerissen.
„Volltreffer.”, sagte Yu.
„Bist wahnsinnig?! Warum trittst du mich?!”, rief Shui.
„Denkst du ich lass mich einfach so betatschen?!”, rief Xie empört.
„Betatschen?! Ich wollte nur nach deinen Verletzungen sehen!”
„Ich bin nicht verletzt! Ich habe nur ein paar Kratzer, das meiste hat mein Gegner abgekriegt!”
„Du bist verwundet.”
„Ist es schlimm?”, fragte Yu besorgt. „Soll ich einen Arzt rufen?”
„Nicht nötig”, sagte Shui. „Das hab ich schnell geheilt.”
„Fass mich ja nicht an!”, fauchte Xie und wich ein Stück zurück.
„Wie soll ich dich denn heilen, wenn du nicht willst, dass ich dich anfasse?”
„Ich sagte doch schon, es ist nichts!”
Shui sah genervt aus. Er stand auf und trat hinter Xie. Xie ignorierte ihn. Shui holte aus und schlug mit der Handkante Xie ins Genick. Xie sank sofort zu Boden wie ein nasser Sack.
„Was soll das Shui?!”, rief Yu entsetzt.
„Irgendetwas musste ich doch tun”, sagte Shui. „Wie soll ich sie denn heilen, wenn sie mich nicht an sich ran lässt? Also müssen wir^s so machen.”
Shui kniete sich neben Xie.
„Halt sie fest.”
Yu kniete sich ebenfalls zu Xie und legte ihren Kopf auf seine Knie. Shui schob Xies T-Shirt ein bisschen hoch. Sie hatte eine tiefe Wunde an der linken Seite. Shui legte seine Hände auf die Wunde. Die Wunde schrumpfte unter Shuis Händen bis sie ganz verschwunden war. Auch das Blut verschwand, nicht mal eine Narbe blieb zurück.
„Wenn sie aufwacht, bringt sie mich um.”, sagte Shui etwas verbissen.
Als Ri das Haus betrat, war alles still. Er ging ins Wohnzimmer. Xie lag auf dem Sofa. Und Shui stand mitten im Raum. Er war erstarrt.
„Was ist denn hier los?”, fragte er Xie.
„Nichts, ich hab ihn nur mal eben ein bisschen abgekühlt.”, antwortete Xie.
„Abgekühlt?”
„Ich werd halt nicht gern betatscht.”
„Ich frag lieber nicht was passiert ist.”
Ri legte seine Hände auf Shuis Schultern und taute ihn auf.
„... glaub ja nicht dass...”, schrie Shui.
„Was ist los? Was ist passiert?”
„Xie hat dich wieder eingefroren.”
Shui sagte nichts aber sein Blick verriet alles.
Ri setzte sich neben Xie aufs Sofa.
„Schön dass du wieder da bist.” , sagte Ri.
„Und? Hast du etwas herausgefunden?”
„Ja und nein.”, antwortete Xie.
„Wie meinst du das, ja und nein?”
„Na ja, ich hab leider nicht so viel herausgefunden, wie ich gewollt hab. Aber das, was mir zu Ohren gekommen ist, ist nicht gerade sehr erfreulich.”
„Was? Was hast du gehört?”
„Nun, Yu ist Thema Nummer eins in der Unterwelt. Alle Fragen sich, wer genau er ist und wo er herkommt. Zum Glück haben die meisten Dämonen, denen ich begegnet bin, nicht wirklich eine Ahnung worum es geht. Ich bin allerdings auch dem Typen über den Weg gelaufen, der die Burg überfallen hat. Ich hab ihn ein bisschen abgefüllt um ihn besser aushorchen zu können.”
„Und? Was hat er gesagt?”
„Es sieht nicht gut aus. Er weiss, dass es zwischen dir, Shui und Yu eine Verbindung gibt. Er meinte sogar, dass Yu womöglich euer Schwachpunkt ist.”
„Das ist allerdings gar nicht gut.”, sagte Shui.
„Ja, allerdings. Durch Yu seid ihr verwundbar. Wenn er Yu in seine Finger bekäme, könnte er einen gewaltigen Druck auf euch ausüben.”
„Ja.”, sagte Ri matt.
„Solange Yu seine Kräfte nicht einsetzen kann, ist er in grosser Gefahr.”
„Apropos Yu, wo steckt er eigentlich?”, sagte Shui.
„Gute Frage.”, sagte Ri und sah Xie an.
„Ich hab keine Ahnung wo er sein könnte.”, sagte Xie etwas beunruhigt.
„Mal sehen. Ich bin zu mir gekommen und lag auf dem Sofa. Shui beugte sich über mich. Er sagte mir was passiert ist. Ich wurde wütend und fror ihn ein. Yu war die ganze zeit hier im Raum. Dann sagte er, er wolle Hausaufgaben machen. Dann hab ich mich hingelegt und dann bist du nach hause gekommen.”
„ähm, Ri.”, rief Shui. Und wedelte mit einem Zettel.
„Yu schreibt, dass er einkaufen gegangen ist.”
„Was?!”, schrie Ri entsetzt.
„Ihr habt ihn einfach so gehen lassen?!”
„Hey, ich war die letzten zwei Stunden eingefroren.”
„Ist doch jetzt unwichtig!”, rief Xie.
„Wir müssen Yu jetzt schnell finden, bevor es jemand anderer tut.”
Yu hatte Ri nur um zehn Minuten verpasst. Ihm war langweilig gewesen. Shui war zur Eisstatue erstarrt und Xie war noch ganz benebelt. Er hatte einfach nur an die frische Luft gewollt. Er hatte überhaupt nicht daran gedacht, dass ihm womöglich jemand auflauern könnte.
Yu schlenderte die Allee entlang. Die Bäume waren schon fast kahl. Langsam kam der Winter. Yu fragte sich, wann es wohl schneien würde. Er mochte es, wenn es schneite. Die Sonne schickte ihre letzten Sonnestrahlen über den Rand des Horizontes. Der Wind frischte auf. Yu fröstelte ein wenig. Er hatte nur ein dünne Jacke an. Die Sonne verschwand hinter dem Horizont und die Schatten der Bäume und Gebäude weiteten sich.
Yu hatte das Gefühl, dass er von mehr, als nur Schatten umgeben war. Er glaubte Geflüster aus den Schatten zu hören. Yu begann schneller zu laufen. Er wurde immer schneller bis er schliesslich zu rennen anfing. Er wusste nicht warum er rannte, er wusste einfach, dass wenn er es nicht tun würde, würde er es auf jeden Fall bereuen. Es wurde immer dunkler. Die Umgebung war bereits ein einziger Schatten. Yu keuchte. Seine Beine wurden schwer. Yu stolperte über seine offenen Schnürsenkel. Er versuchte sich noch abzufangen und schürfte sich die Hände auf. Yu setzte sich auf und drückte sich die schmerzenden Hände an die Brust. Panische Angst ergriff ihn auf einmal. Eine klauenähnlich Hand schoss aus der Dunkelheit auf Yu zu. Yu wollte fliehen aber die Hand erwischte ihn am Kragen. Er konnte seinen Angreifer nicht erkennen. Yu wurde in die Luft gehoben. Da zappelte er zwei Meter über dem Boden. Panisch begann Yu um sich zu schlagen. Bei dem ganzen Gezappel und Gestrampel rutschte Yu aus den Trägern seines Rucksackes und den ärmeln seiner Jacke.
Yu fiel zu Boden, stand sofort wieder auf und rannte so schnell er konnte.
Obwohl Yu rannte was das Zeug hielt, hatte er immer noch das Gefühl, dass ihm seine Verfolger dicht im Nacken sass. Und wirklich, schon im nächsten Moment fuhr ein Schmerz durch seinen Körper als wenn ihm eine Klinge in den Rücken gestossen worden wär. Yu drehte sich um. Er konnte nichts sehen. Um ihn herum horte er das rascheln der Bäume und Sträucher. Plötzlich schossen tausend unsichtbare Klingen aus der Finsternis. Yu konnte nicht ausweichen. Die Klingen schlitzten Yus Haut auf. Sie rissen Schnitte in seine Haut, dünn wie von einem Blatt Papier. Yu wurde Schwarz vor Augen.
Ri, Shui und Xie hatten sich aufgeteilt. Sie suchten schon den ganzen Abend nach Yu. Als die Sonne noch am Himmel gestanden hatte, war die Suche schwieriger gewesen, sie mussten da noch zu Fuss suchen. Aber jetzt wo es dunkel war konnten sie ohne Risiko fliegen und aus der Luft suchen. Aber Yu war nicht zu finden. Mit jeder Minute ohne ein Zeichen von Yu wuchs die Nervosität.
Xie flog nun schon zum dritten mal über den gleichen Stadtteil. Sie überlegte, ob sie es vielleicht mal in der Unterwelt probieren sollte. Wahrscheinlich war doch ein Dämon schneller gewesen und hatte Yu in die Unterwelt verschleppt.
Xie wollte gerade abdrehen um ihre Suche an einer anderen Stelle fortzusetzen, als sie plötzlich etwas fühlte. Es war wie ein Schrei in ihrem Inneren. Eine Stimme, die um Hilfe rief. Xie geriet kurz ins Trudeln, fing sich aber gleich wieder. Hastig blickte sie um sich. Wo war es hergekommen? Wer hatte diesen entsetzlichen Schrei getan? Wer nur? Was mag dieser Person nur zugestossen sein?
Zwischen einigen Bäumen und Häusern blitzte ganz kurz ein Licht auf. Es war so schwach und auch nur ganz kurz aufgeflammt, dass es durch die Zweige der Bäume kaum zu sehen gewesen war.
Xie stiess hinab. Sie flog langsam einen grossen Kreis um das Gebiet. Sie landete hinter einem Baum und blickte ganz vorsichtig dahinter hervor. Es war niemand zu sehen. Nicht weit von ihr entfernt lag eine Gestalt bäuchlings am Boden. Xie konnte kaum etwas erkennen. Xie stürzte hinter dem Baum hervor zu der Gestalt am Boden und drehte sie auf den Rücken. Es war Yu.
Yus Arme und Beine waren voller Schnittwunden. Seine Hände und Knie waren aufgeschürft. Sein T-Shirt und die Jeans hingen in Fetzen von seinem Körper.
„Yu.”, rief Xie.
„Wach auf Yu, bitte!”
Yu gab ein leises Stöhnen von sich. Seine Augen öffneten sich leicht.
„Xie?”, flüsterte Yu heiser.
„Was ist passiert Yu?”
„Da war jemand ... in der Dunkelheit. Ich konnte ihn nicht sehen ... konnte mich nicht verteidigen. Dann bin ich wohl ... ohnmächtig geworden.”
Xie hörte hinter sich ein Geräusch. Blitzschnell drehte sie sich um und zog ihr Schwert. Ein Langschwert mit schwarzer Klinge prallte gegen Blackice. Das Schwert wurde von einer, in einen Schwarzen Mantel gehüllten Kreatur geführt. Die Kreatur hüpfte, ohne die geringste Mühe, auf einen Ast des nächsten Baumes.
„Du willst also spielen?”, sagte Xie. „Wie du willst. Dass kannst du gerne haben.”
Xie spannte ihr Flügen, hob ihr Schwert über den Kopf und sprang auf die vermummte Gestalt zu. Yu blinzelte. Er hatte noch nie zuvor Xies Flügel gesehen. Yu traute seinen Augen kaum. Denn Xies Flügel waren nicht wie die der anderen Guardians. Ihre Flügel waren schwarz. Yu hatte keine Zeit sich darüber Gedanken zu machen. Ihm schwanden erneut die Sinne. Die Schnittwunden, von denen seine Körper übersät war, waren nicht tief und Bluteten auch nicht aber jede einzelne Wunde brannte fürchterlich.
Die Gestalt wich vor Xies Schwerthieben zurück. Mit jedem mal ein bisschen weiter. Xie wollte den Fremden mit ihrem Schwert erschlagen. Die Gestalt wich immer nur nach hinten aus. Er verteidiget sich nicht, konterte nicht, er versuchte noch nicht einmal anzugreifen. Da fiel es Xie wie Schuppen von den Augen. Er wollte sie von Yu weglocken. Sofort kehrte Xie um. Sie stellte sich mit erhobenem Schwert und in die Nacht hinaus horchend über Yu. Fest entschlossen, keinen an ihn heran zu lassen.
Da stürzte die vermummte Gestalt erneut auf Xie zu. Xie wollte mit dem Schert gerade zum Schlag ausholen als ein leuchtend roter Blitz durch die Dunkelheit schoss und die Gestalt im Rücken traf. Der schwarze Mantel fiel zu Boden. Das Wesen war spurlos verschwunden.
Nicht weit von ihnen entfernt stand Ri. Er hatte den Blitz heraufbeschworen.
Ri kam wortlos zu ihnen hinüber. Er kniete sich neben Yu.
„Was ist passiert?”, fragte er mit mater Stimme.
„Ich weiss nicht genau.”, sagte Xie.
„Ich hab ihn erst vor eine paar Minuten gefunden.”
Yu öffnete die Augen. erst jetzt schien im klar zu werden, was passiert war. Verwirrt blickte er um sich.
„Geht es dir gut, Yu?”, fragte Ri und half ihm sich aufzurichten.
„Ja, schon”, ächzte Yu. „Tut nur ein bisschen weh.”
„Windklingen.”, nuschelte Xie.
„Was für Klingen?”, fragte Yu.
„Windklingen. Der Wind wird so beschleunigt, dass er als Waffe dient. Das würde die Art der Wunden erklären. Allerdings ...”
„Allerdings, was?”
„Die Windklinge ist eine Spezialattacke der Guardians.”, sagte Ri mit düsterer Stimme.
„Mit anderen Worten, du wurdest von einem Guardian angegriffen.”, sagte Xie ernst.
„Was? Wie? von einem Guardian?”
„Verschwinden wir erst mal.”, sagte Ri.
Ri hob Yu vom Boden auf. Yu schrie leise auf. Ri stiess sich, mit einem kräftigen Schlag seiner Flügel, vom Boden ab und erhob sich in den dunklen Nachthimmel. Xie folgte ihm. Die kühle Nachtluft strich sanft über Yus Körper und linderte das Brennen der Schnitte ein wenig. Die Angst, die ihn noch wenige Minuten zuvor fast wahnsinnig gemacht hatte, löste sich, jetzt wo Ri ihn in den Armen hielt.
Zuhause wartete Shui schon auf sie.
„Da seid ihr ja endlich.”, rief er aufgeregt. „Mensch wo ward ihr denn. Ich dachte ihr seid vielleicht in Schwierigkeiten.”
„Lässt du mich mal durch?”, sagte Ri ohne näher auf Shui einzugehen.
„Ach du Schreck!”, rief Shui, als er Yu sah.
„Was ist denn passiert? Hat ihn jemand angegriffen? Ist er schlimm verletzt?”
„Shui!”, rief Ri um Shui zum Schweigen zu bringen.
Er setzte Yu in den Sessel neben dem Kamin.
„Wärst du so nett”, sagte Ri.
„Ach ja, stimmt.”, sagte Shui etwas zerstreut.
Shui kniete sich vor Yu hin. Er konzentrierte seine Energien und strich Yu sanft über Arme und Beine. Eine angenehme Kälte breitete sich von den Stellen aus, an denen Shui seine Haut berührt hatte. Die Schnittwunden schlossen sich. Zu guter letzt, nahm Shui Yus Hände. Und auch die Schürfwunden an Yus Händen heilten. Yus Haut war noch gerötet aber angenehm kühl.
„Na, besser so?”, fragte Shui.
„Ja, fühlt sich aber noch ein bisschen taub an.”, antwortete Yu.
„Das sind noch die Nachwirkungen.”, sagte Ri. „Nach ein paar Stunden ist auch das Taubheitsgefühl weg.”
Yu war noch ein bisschen Schwummerig. Er sah zu Ri, der auf der anderen Seite des Kamins stand. Er sah ins Kaminfeuer. Sein Gesicht schimmerte rötlich. Er macht ein sehr nachdenkliches Gesicht.
„Ri?”, sagte Yu um ihn auf sich aufmerksam zu machen.
„Ja, was ist?”, fragte Ri.
„Was habt ihr gemeint, als ihr gesagt habt, dass ich von einem Guardian angegriffen worden bin? Warum sollte mich ein Guardian denn angreifen?”
„Weißt du Yu, das ist so. Es gibt leider nicht nur gute Guardians. Es gibt Guardians, die gegen unsere Regeln verstossen. Vor einiger Zeit gab es einen Guardian namens Dao. Er hatte es sich in den Kopf gesetzt, die Welt der Menschen zu unterwerfen. Er hatte viele Anhänger. Er konnte aber aufgehalten werden und wurde mit seinem ganzen Gefolge in die Unterwelt verbannt. Aber jetzt konnte er die Grenze zwischen der Unterwelt und unserer Welt überwinden.”
„Was hat das ganze mit dir zu tun?”
„Ri war der, der Dao gestoppt hat.”, sagte Xie. „Ri war damals noch sehr jung. Keiner hatte es ihm zugetraut, am wenigsten Dao. Ri hatte Dao im Zweikampf besiegt, als die Guardians ihn stellen wollten. Er verletzte fünf Guardians schwer, einer liess sogar sein Leben. Aber in Ri hatte er seinen Meister gefunden. Ri ist sehr viel jünger als Dao, was das ganze nur noch unglaublicher machte. Nach dieser Aktion wurde Ri vom Rat zum Jian ernannt. Dao wurde verbannt. Als Dao abgeführt wurde, schwor er Ri, dass er sich eines Tages an ihm rächen würde.”
Shui starrte Xie mit offenem Mund an.
„Woher weißt du das?!”, rief er erstaunt.
„Na ja, in meiner Position informiert man sich halt. Das würde dir auch mal gut tun, Shui-chan.”
„Hey, nenn mich gefälligst nicht so!”
„Shui-chan!”
„Na warte!” Shui knackste mit den Fingerknöcheln.
„Du würdest doch keine Mädchen schlagen?”, sagte Xie mit Unschuldsmiene.
„Wenn du ein Mädchen bist, dann bin ich der Kaiser von China!”
Xie flüchtete und Shui jagte ihr durchs ganze Wohnzimmer nach.
„Ich glaub ich geh besser ins Bett.”, sagte Yu bei dem Anblick.
„Gute Idee.”, sagte Ri „Ich denke ich gehe noch ein bisschen trainieren.”
Xie und Shui waren so in ihr kleines Spiel vertieft, dass sie gar nicht merkten, wie Ri und Yu den Raum verliessen. Xie fand es anscheinend sehr amüsant Shui hinter sich herjagen zu lassen. Mit einem mal spannte sie ihr Flügel und flog durch die offene Verandatür nach draussen.
Yu war inzwischen in seinem Zimmer. Er hatte seine Klamotten oder das, was davon noch übrig war ausgezogen und in die Ecke geworfen. Yus Haut war immer noch gerötet und ein bisschen taub. Aber Shuis Heilung hatte einen angenehm kühlenden Effekt gehabt.
Yu schlief sofort ein.
Nach einer Weile wurde Yu plötzlich geweckt. Ein kalter Wind wehte in sein Zimmer. Das Fenster stand Speerangel weit offen. In der Dunkelheit sah Yu zwei Gestalten links und rechts neben seinem Bett. Die Scheinwerfer eines vorbeifahrenden Autos, warfen ihr Licht auf die Gestalten. Sie hatten weisse Flügel. Sie waren Guardians.
Noch bevor Yu den Mund öffnen konnte um zu fragen, was sie hier wollten, packten sie Yu an den Oberarmen uns rissen ihn aus dem Bett. Yu schrie um Hilfe aber keiner schien ihn zu hören.
Die beiden Guardians flogen, mit Yu im Schlepptau, aus dem offenen Zimmerfenster. Yu zappelte wie verrückt aber es half nichts.
Die beiden Guardians flogen dicht über dem Boden. Auf einmal spürte Yu, wie er durch eine Nebelwand gezogen wurde. Sie hatten das Tor zur Welt der Guardians passiert. Yu hatte aufgehört sich zu wehren. Wenn sie ihn jetzt losgelassen hätten, wäre er gut zwanzig Meter in die Tiefe gestürzt.
Sie flogen über eine grosse Stadt. Inmitten der Stadt stand ein grosses Schloss, das wie aus Kristallglas gemacht zu seine schien.
Sie landeten auf einem grossen Balkon. Die Guardians stellten Yu auf die Füsse. Dann führten sie ihn, immer noch an den Armen festhaltend, ins Schloss hinein. Sie gingen einen langen Korridor entlang. Der Fussboden war eiskalt. Yu wurde durch eine Grosse Flügeltür in einen grossen Raum geführt. Am anderen Ende des Raumes stand ein langer, kristallener Tisch. Hinter dem Tisch sassen drei Männer und zwei Frauen. Etwa drei Meter vor dem Tisch stand ein Stuhl, ebenfalls aus Kristallglas.
Die Guardians liessen Yu los, gingen hinaus und schlossen die Flügeltür hinter ihm.
Der Mann in der Mitte stand auf.
„Setz dich.”, sagte er streng und deutete auf den Stuhl.
Yu setzte sich ohne den Blick von den Fünfen am Tisch abzuwenden. Yu fühlte sich, als würde er vor Gericht sitzen.
„Wir sind der Rat der Guardians. Ich bin der Ratsvorsitzende, Otaku. Weisst du, warum du hier bist?”, fragte der Mann.
„Ehrlich gesagt, nein.”, sagte Yu zitternd.
„Du brauchst dich nicht zu fürchten.”, sagte eine Frau mit langen lila Haaren.
„Wer hat hier Angst, ich friere nur.”, sagte Yu patzig.
„Werd nicht unverschämt!”, rief ein Mann zur rechten des Ratsvorsitzenden.
„Schon allein der Aufzug indem du hier auftauchst zeigt, dass du nicht auch nur den geringsten Respekt hast!”
Yu sah an sich herunter. Da er eben noch geschlafen hatte, trug er lediglich ein Hemd.
„Entschuldigen sie mal! Ich wurde aus dem Bett heraus gekidnappt, da hatte ich halt keine Zeit mich umzuziehen!”
„Schluss jetzt!”, rief der Ratsvorsitzende.
„Wir haben dich hierher bestellt...”
„Gekidnappt habt ihr mich!”
„Sei still!”, wies der Mann von vorhin Yu zurecht.
„Ich sagte Ruhe!”, rief der Ratsvorsitzende. „Nun wir haben zweifellos eine etwas radikale Methode gewählt um dich hierher zu bringen.”
„Allerdings!”
„Eigentlich wollten wir dir nur einige Fragen stellen.”
„Hätten Sie das denn nicht auf Morgen verschieben können?”
„Nein, dass duldet keinen Aufschub.”
Die Miene des Ratsvorsitzenden verfinsterte sich.
„Du lebst doch bei einem Guardian, oder?”
„Ja.”, antwortete Yu etwas unsicher.
„Und dieser Guardian ist dein Bruder, hab ich recht?”
Yu wusste nicht was er antworten sollte. Er konnte sich nicht vorstellen, worauf der Rat hinaus wollte. Yu beschloss, lieber nicht zu antworten.
„Ich sage nichts mehr.”, sagte Yu trotzig, verschränkte die Arme und wandte sich von den Ratmitgliedern ab.
„Na warte du Wicht!”, schrie der Mann rechts neben dem Ratsvorsitzenden.
Er stand auf und richtete die Hand gegen Yu. Yu wurde von einer Druckwelle erfasst, die ihn an die gegenüberliegende Wand schleuderte. Yu wurde gegen die Wand gepresst. Es war, als wenn sich unsichtbare Fesseln um seine Hand- und Fussgelenke schlingen würden.
„Antworte gefälligst!”, hörte Yu eine Stimme schreien.
„Hör auf, du bringst ihn noch um!”, schrie eine Frauenstimme.
Yu spürte wie die Luft aus seinen Lungen gepresst wurde. Keuchend schnappte er nach Luft. Seine Arme und Beine schmerzten, seine Brust brannte.
Ein lautes Klirren durchfuhr die Stille. Der Druck auf Yu liess nach und er rutschte zu Boden. Im nächsten Moment öffnete sich das grosse Flügeltor. Draussen stand Ri, barfuss und mit nacktem Oberkörper. Er war durch das grosse Fenster im Korridor gesprungen. Der ganze Boden lag voller Scherben.
Ri atmete ruckartig. Seine Haare waren verwuschelt. Seine Augen glühten vor Wut. Auf seinen zerzausten Flügeln glitzerten noch kleine Glassplitter die wie Feuerfunken wirkten. Ris ganzer Körper schien zu brennen.
„Was soll das, Ri?!”, rief der Ratsvorsitzende.
„Ich will nur Yu.”, sagte Ri.
„Es tut mir leid aber ich kann nicht zulassen, dass er bei dir bleibt.”
„Was fällt euch eigentlich ein? Was fällt euch ein Yu einfach so zu entführen?!”
„So versteh doch. Wir haben euch damals getrennt, weil wir euch schützen wollten. Wir wollen Yu nur in Sicherheit bringen.”
„Was habt ihr vor?”
„Wir löschen sein Gedächtnis und bringen ihn zu einer Menschenfamilie auf der Erde.”
„Das lass ich nicht zu! Ich lass nicht zu, dass ihr uns schon wieder trennt!”
Mit einem Satz stand Ri neben Yu. Er hob ihn hoch und schwang sich mit einem Schlag seiner Flügel in die Luft. Die Glassplitter fielen von seinen Flügeln als er mit einem irrsinnigen Tempo aus dem Saal und durch das zerbrochene Fenster flog.
Yu war erstarrt. Er hatte Ri nie zuvor so wütende gesehen. Es hatte nicht viel gefehlt und Ri hätte den Raum mit samt dem Rat in die Luft gejagt. Selbst jetzt spürte Yu noch wie das Feuer in Ri wütete. Yu hatte auf einmal das Gefühl, dass sich Ris Arme seltsam fest um seinen Körper klammerten. Yu sagte aber kein Wort.
Als sie endlich zuhause ankamen, war alles still. Shui sass im Wohnzimmer und sah Fern.
„Wo kommt ihr den her?”, fragte er verwundert als Yu und Ri durch die Verandatür traten.
„Vom Rat.”, sagte Ri schlicht und liess sich in den Sessel fallen.
„Wo ist Xie?”, fragte Yu.
„Keine Ahnung.”, sagte Shui achselzuckend.
„Ich hab sie durch die halbe Stadt gejagt und dann war sie plötzlich weg. Und als ich dann nach hause gekommen bin, war niemand zuhause. Aber sagt mal, was wollte denn eigentlich der Rat?”
„Wir sind aufgeflogen.”, sagte Ri ohne Shui anzusehen.
„Der Rat weiss jetzt, dass wir wieder zusammen sind und, dass Yu unser Bruder ist.”
„Was?! Und was heisst das jetzt?”
„Sie wollen Yus Gedächtnis löschen und ihn weg bringen.”
„Ich wette das Xie uns verraten hat!” rief Shui auf einmal.
„Ich hab der von Anfang an nicht getraut. Der Rat hat sie sicher geschickt um uns auszuspionieren!”
„Mach dich nicht lächerlich!”, rief Yu entsetzt.
„Xie würde uns doch nie verraten.”
„Woher willst du das wissen? Wenn sie uns nicht verraten hat, warum ist sie dann ausgerechnet jetzt nicht hier?”
Noch bevor Yu antworten konnte, flog die Verandatür auf und Xie kam herein geflogen.
„Hey, Leute!”, rief sie aufgeregt.
„Ich bin gerade vor den Rat zitiert worden. Die sind sehr viel schneller im kombinieren als ich dachte.”
Yu sah Shui wütend an. Shui sah betreten in die Runde.
„O.K. vielleicht war sie^s doch nicht.”, sagte er leise nuschelnd.
„Was war ich nicht?”, fragte Xie.
„Och nichts.”
Aber Xie wusste ganz genau worum es ging. Sie packte Shui am Kragen und zog ihn nahe an ihr Gesicht heran.
„Wenn ich euch verraten hätte, dann hätte ich mich doch vorhin nicht vorm Rat zum Affen gemacht, damit ihr drei zusammen bleiben dürft.”, sagte sie wütend.
„Was hast du?”, fragte Ri verblüfft.
„Du bist nicht der Einzige, der sich dem Rat wiedersetzt. Ich hab sie überzeugen können, dass Yu bei euch bleiben darf.”
Xie liess Shui los, drehte sich wortlos um und stapfte wütend aus dem Zimmer.
Im Gang hörte man sie wettern: „Nicht zu glauben! Undank ist der Welten Lohn! Warum hab ich mir für die nur den Arsch aufgerissen? Das hätt ich mir auch schenken können! Dämliche Vollblüter!”
„Ich glaube, jemand sollte ihr nachgehen.”, sagte Ri.
Shui wich Ris Blick aus, als wenn er sich nicht angesprochen fühlen würde.
„Ich korrigiere mich. Du solltest ihr nachlaufen, Shui.”
„Wieso ausgerechnet ich?!”, rief Shui.
„Kann das nicht Yu machen? Ihn mag Xie doch sowieso lieber als mich. Mich bringt die doch glatt um!”
„Dann hätten wir einen Hohlkopf weniger. Du warst immerhin der, der sie ohne Grund verdächtigt hat. Also solltest du dich auch bei ihr entschuldigen.”
Shui sah sie flehentlich an. Er wollte Xie wirklich nicht gegenübertreten.
„Also gut.”, sagte Yu.
„Ich komme mit aber reden musst du schon selber.”
Yu ging also voraus und Shui schlich hinter ihm her, wie ein Gefangener, der zum Galgen geführt wurde.
Xie war draussen im Garten. Sie trainierte um ihrem ärger Luft zu machen. Sie schlug und trat energisch in die Luft und gegen die Bäume. Yu stupste Shui an. Shui trat einen Schritt vor.
„ähm, Xie ich wollte...”
Xie schlug so heftig gegen den nächsten Baum, dass dieser umkippte. Shui sprang zur Seite damit er vom Baumstamm nicht erschlagen wurde.
„Wie ich sehe bist du gerade beschäftigt. Dann komm ich später wieder.”, stammelte Shui und drehte sich um.
„Hier geblieben!”, sagte Yu und packte Shui am ärmel.
„Also Xie, ich ... ich wollte mich bei dir entschuldigen.”, würgte Shui hervor.
„Es tut mir wirklich Leid. Ich habe mal wieder geredet bevor ich gedacht habe.”
„Ich bezweifle, dass du überhaupt denken kannst.”, antwortete Xie bissig.
„Na hör mal, ich will mich entschuldigen und dir fallen nur Gemeinheiten ein.”
„Für eine richtige Entschuldigung fehlt aber noch was.”
„Was denn noch?”
Xie zeigte mit dem Finger nach unten.
„Och nö, das kannst du doch nicht wirklich wollen!”, rief Shui
Xie nickte nur. Shui zögerte. Dann verbeugte er sich langsam vor Xie.
„Entschuldige, dass ich dich zu unrechte verdächtigt habe.”, sagte Shui leicht murrend.
„Also gut.”, sagte Xie amüsiert.
„Ich nehme die Entschuldigung an.”
Xie ging zurück ins Haus. Als sie an Yu vorbei ging, zwinkerte sie ihm zu. Yu sah zurück zu Shui, der immer noch mit gebeugtem Rücken dastand.
„ähm, Shui?”, sagte Yu vorsichtig.
„Ich glaube du musst dich nicht mehr verbeugen.”
„Irgendwann bring ich sie um!”, schrie Shui und sprang auf.
Yu fasste sich an den Kopf.
„Ich glaub ich krieg Kopfschmerzen.”, sagte Yu und beschloss schnell ins Bett zu gehen, bevor noch irgendwas passierte.
In den nächsten Tagen blieb alles mehrheitlich ruhig. Die einzigen Zwischenfälle, waren Alltagsereignisse.
Ri hatte im Krankenhaus Sonderschichten. Eine Grippewelle ging um und dazu kam auch noch das übliche Pensum an gebrochenen Armen und Beinen, Impfungen und was sonst noch so anfiel.
Shui arbeitete mehrheitlich nachts. Er stand kurz vor dem endgültigen Abschluss seiner Ausbildung. Da er nun schon fast als voll ausgebildeter Polizist galt, wurde er auch öfters zu Sondereinsätzen beordert.
Xie ging allen aus dem Weg. Sie war immer noch sauer auf Shui und mit Ri hatte sie es irgendwie auch nicht mehr so. Xie arbeitete zwar nicht, trotzdem war sie oft weg und wenn sie zuhause war, verbarrikadierte sie sich meistens in ihrem Zimmer.
Yus Alltag sah immer gleich aus. Morgens zur Schule. Nachmittags nach hause. Hausaufgaben bis zum Abendessen. Dann noch ein bisschen fernsehen oder sich unterhalten, sofern die anderen nicht zu müde waren. Dann hiess es ab ins Bett und am nächsten Morgen wieder früh raus.
Der Rat hatte gestattet, dass Yu bei seinen Brüdern bleiben durfte. Allerdings hatten sie eine Bedingung gestellt. Yu musste möglichst schnell lernen, sich zu verteidigen und durfte die Arbeit der Guardians auf keinen Fall behindern.
Also verbrachte Yu den Rest seiner eh schon knappen Freizeit damit, mit Ri zu trainieren.
Eines Abends bequemte sich Xie ausnahmsweise mal aus ihrem Zimmer. Es war still. Yu stand in der Küche am Herd.
„Wo sind die anderen?”, fragte Xie.
„Shui ist schon auf der Arbeit und Ri bleibt heute länger im Krankenhaus.”, sagte Yu.
„Wir sind heute Abend also allein.”
Xie sah Yu über die Schulter.
„Richt gut. Was gibt^s?”
„Curryreis. Sag Xie, essen wir heute mal gemeinsam? Jetzt wo Ri und Shui nicht da sind meine ich.”
„Warum nicht.”
„Gut, dann kannst du ja gleich den Tisch decken.”
„Muss ich?”
„Du kannst auch lieber kochen, wenn du willst.”
„Schon gut, schon gut.”
Etwas wiederwillig deckt Xie den Tisch. Später sassen sie beide am Tisch. Es war sehr ruhig. Yu mochte das Schweigen nicht.
„Warum distanzierst du dich eigentlich so?”, fragte Yu.
„Was?”, entgegnete Xie kurz.
„Na, du gehst voll auf Abstand. Wenn wir drei miteinander reden und lachen, bist du immer in deinem Zimmer. Ich meine, wenn du schon hier wohnst, dann kannst du dich doch auch am Leben hier beteiligen.”
„Warum sollte ich? Ich habe mich nie irgendwo beteiligt. Mit dreizehn bin ich von Zuhause abgehauen und seit dem bin ich allein ganz gut zurecht gekommen.”
„Aber jeder Mensch braucht doch jemanden, auf den er sich verlassen kann.”
„Wenn man sich auf jemanden verlässt, kann einen diese Person sehr schnell hintergehen. Deshalb vertraue ich niemandem. Glaub mir, das ist besser so. Vor allem in meiner Position als Jian.”
„Aber mir vertraust du doch.”
„Wie kommst du darauf?”
„Du hast mir doch dein Geheimnis anvertraut.”
„Ich weiss auch nicht warum ich das getan hab. Ich dachte, du als Halbblüter würdest das eher verstehen als ein Vollblüter.”
„Sag mal, was hast du eigentlich gegen Vollblüter?”
„Weißt du eigentlich, wer mich immer verachtetet hat? Wer mich immer geschlagen und beschimpft hat? Das waren alles Vollblüter.”
„Aber du kannst doch nicht von ein paar auf alle schliessen.”
„Ich habe viele Vollblüter kennen gelernt und bisher waren alle gleich. Sie fürchten den Dämon in mir und verachten mich deswegen.”
„Denkst du über Ri und Shui auch so?”
„Vollblüter sind einer wie der andere.”
„Ri und Shui nicht. Ich bin sicher, sie würden dich auch noch mögen, wenn du ihnen die Wahrheit sagst.”
„Woher willst du das wissen?”
„Ich bin doch auch Halbblüter und sie haben mich trotzdem gern.”
„Du bist auch ihr Bruder und zudem bist du Halbmensch und nicht Halbdämon so wie ich. Das macht einen grossen Unterschied.”
„Ich find nicht aber das musst du ja selber wissen. Es wär aber trotzdem schön, wenn du dich ab und zu mit uns unterhälst.”
„Was interessiert es dich überhaupt ob ich hier unten bin oder nicht?”
„Ich finde, dass Freunde miteinander reden sollten.”
„Wir sind keine Freunde. Ich bin nur hier, um meine Pflichten als Jian zu erfüllen. Sonst nichts.”
„Aber wir können doch Freunde sein.”
„Sie mich an Yu.”
Aus Xies Rücken wuchsen ihre schwarzen Flügel. Xie öffnete ihren Mund. Yu zuckte zusammen. Xies Eckzähne waren lang und liefen spitz zu. Wie bei einem Vampir. Xie packte Yu am Kragen.
„Siehst du? Mit diesen Zähnen, bin ich in der Lage den Menschen ihre Energie auszusaugen, wie ein Dämon. Diese Zähne entlarven mich als das, was ich wirklich bin. Ich könnte niemals als normaler Guardian leben, solange keiner meine Natur akzeptieren kann! Und wer vertraut schon jemandem, der im die Energie aussaugen könnte?!”
Xie sah in Yus angsterfüllte Augen. Zitternd sah er Xie an. Xie liess Yu los und ging zurück in ihr Zimmer. Sie blickte nicht zurück und sagte auch kein Wort mehr. Yu war ein bisschen traurig. Er wusste, dass es unmöglich war, Xie eines Besseren zu belehren aber er hätte es trotzdem gern getan.
Xie schloss die Zimmertür hinter sich und lehnte sich dagegen. Sie war verwirrt. Warum tat Yu das? Warum sagte er das? Xie war doch nur hier, weil sie ihnen helfen wollte. Oder war der Grund doch ein anderer? Hatte sie insgeheim gehofft, dass sie in ihre Familie aufgenommen würde?
„So ein Blödsinn.”, murrte Xie leise aber bestimmt.
„Ich habe hier eine Aufgabe. Und wenn meine Arbeit hier getan ist, gehe ich wieder nach hause und lebe weiter so wie bisher. Wieso sollte ich mein Leben ändern, so wie^s bisher lief, war^s doch voll in Ordnung.”
Damit war das Thema für Xie erledigt.
Yu hatte noch bis spät in die Nacht über Xie nachgedacht. Er kam allerdings zu keinem schlüssigen Ergebnis. Er schlief nämlich noch vorher ein.
Der Wecker riss Yu am nächsten Morgen unsanft aus dem Schlaf. Als Yu den Arm hob um den Wecker auszuschalten, spürte er einen stechenden Schmerz in der Schulter. Yu rappelte sich langsam hoch. Seine Schultern schmerzten bei jeder Bewegung. Yu konnte sich das nicht erklären. Er hatte keine Ahnung, wo der Schmerz herkam.
Langsam schlich Yu aus seinem Zimmer und die Treppe hinunter ins Wohnzimmer. Ri und Shui sassen im Wohnzimmer und unterhielten sich angeregt.
„Wenn^s nicht bald soweit ist, haben wir ein Problem!”, sagte Shui aufgeregt.
Das war auch das einzige, was Yu von dem Gespräch mitbekam. Denn als Ri ihn bemerkt hatte, bedeutete er Shui, still zu sein.
„Worüber habt ihr euch unterhalten?”, fragte Yu noch leicht verschlafen.
„Nichts besonderes.”, sagte Shui schnell.
„Geht^s dir gut, Yu?”, fragte Ri und sah ihn besorgt an.
„Du siehst blass aus.”
„Geht schon.”, sagte Yu.
„Mir tun nur die Schultern weh.”
„So, das ist sicher nur ein Muskelkater. Das ist schnell wieder vorbei.”
Yu entging nicht, dass Ri bei seinen Worten leicht grinste, als wolle er noch etwas sagen.
„Wenn du meinst.”, sagte Yu etwas kritisch.
„Musst du nicht zur Schule?”, fragte Shui mit einem Blick auf die Uhr.
„Stimmt ja.”
Als Yu das Zimmer verlassen hatte, beugte sich Shui zu Ri und sagte:
„Wie lang, was meinst du?”
„Ich schätze höchstens vierundzwanzig Stunden.”, antwortete ihm Ri.
Beide lachten.
Am Fuss der Treppe kam Yu Xie entgegen. Sie kam gerade aus dem Bad und rubbelt sich mit einem Handtuch die Haare trocken.
„Guten Morgen Yu, wie geht^s denn?”, rief Xie munter und klopfte Yu dabei auf die Schultern. Yu schrie kurz auf.
„Oh, ist es denn schon soweit?”, fragte Xie
„Was ist soweit?!”, fragte Yu knurrend.
„Och, nichts, nichts. Alles ready!”
Yu kapierte gar nichts mehr. Er ging nur kopfschüttelnd an Xie vorbei.
Yu hatte das Gefühl, dass die Schule heute extra quälend langsam vorbei ging. Am schlimmsten war für Yu aber die Doppelstunde Sport. Ausgerechnet heute war Leichtathletik angesagt. Weitwurf und Speerwurf waren am schlimmsten. Am Ende des Unterrichts spürte Yu die stechenden Schmerzen in seinen Schultern noch stärker.
„Da bin ich wieder.”, ächzte Yu als er die Haustür hinter sich geschlossen hatte.
„Was ist?”, fragte Ri.
„Also, ich glaube kaum dass das ein Muskelkater ist. Dafür tut^s nämlich zu sehr weh.”
„Du bist aber auch verkrampft.”
Ri stellte sich hinter Yu und massierte ihm die Schultern. Allerdings nützte es nicht viel.
„Weißt du was dir gut tun würde, ein heisses Bad.”
„Ein Bad?”
„Ja, das hilft bestimmt.”
Ri lächelte wieder so seltsam wie schon am Morgen. Er gab Yu einen leichten Klaps. Yu beherzigte Ris Rat und liess sich ein Bad ein.
Das warme Badewasser schmeichelte sich sanft um Yus Körper und beruhigte die schmerzenden Schultern. Fast wäre Yu in der Badewanne eingeschlafen, so wohl war ihm. Nach einer Weile klopfte es an der Badezimmertür.
„Ja, bitte?”, rief Yu. Ri streckte den Kopf hinein.
„Ich dachte schon du wärst ertrunken.”, sagte Ri lachend.
„Kommst du? Das Abendessen ist fertig.”
„Ja, gleich, noch fünf Minuten.”, sagte Yu.
„Okay, dann in fünf Minuten. Schlaf mir ja nicht ein, hörst du?”
Yu warf den Schwamm nach Ri. Ri schloss allerdings so schnell die Tür, dass der Schwamm gegen die Tür flog.
Yu stieg aus der Badewanne und trocknete sich ab. Auf einmal fühlte Yu etwas eigenartiges. Ihm war, als wenn etwas aus seinen Schultern wachsen würde. Aber als Yu in den Spiegel sah, war nichts zu sehen. Yu dachte, dass er wohl nur fantasiert hatte.
Shui sass unten schon am Tisch. Er hatte den Kopf auf die, auf dem Tisch verschränkten Arme gelegt. Er war vollkommen kaputt. Zu Yus überraschung sass auch Xie mit ihnen am Tisch. Als Yu sich zu ihnen setzte, fuhr Shui aus dem Halbschlaf hoch.
„Wie? Wo? Was?”, sagte Shui verwirrt.
„Das Haus brennt grad ab, also nichts wichtiges. Schlaf weiter, Pennkappe.”, sagte Xie
„Entschuldige bitte!”, rief Shui.
„Es tut mir ja leid, dass ich mich nicht den ganzen Tag auf die faule Haut legen kann so wie du, meine Liebe!”
„Du meinst die ganze Zeit in der Gegend rumspazieren und anderen Leuten auf die Nerven gehen? Das nennst du Arbeit?”
„Das nennt man Streifegehen!”
„Jetzt hört mal auf zu streiten!”, rief Ri dazwischen.
„Könnt ihr wenigstens für eine halbe Stunde nett zueinander sein?”
Ri setzte sich neben Yu und sah Shui, der ihm gegenüber sass, scharf an.
„Und wie geht^s dir?”, fragte Ri zu Yu gewandt.
„Schon viel besser. Das Bad hat wirklich gut getan. Meine Schultern tun nicht mehr so weh.”
„Die werden nicht mehr lange wehtun. Spätestens Morgen...”, plauderte Shui munter bis Ri ihn mit einem scharfen Blick abwürgte.
„Dein loses Mundwerk ist zweifellos das Bestausgeprägteste an dir.”, sagte Xie
„Und leider auch das einzige.”
„Was soll das denn schone wieder heissen?”, fragte Shui und klang dabei, als wenn er nächstens explodieren würde.
„Shui, du bist zwar ein guter Schwertkämpfer aber deine anderen Fähigkeiten lassen noch sehr zu wünschen übrig. Wenn du so weiter machst, wirst du nie Jian.”
„Wer sagt, dass ich Jian werden will?”
„Ach bitte, ich weiss doch, dass du deinem Bruder in nichts nachstehen willst.”
Shui öffnete den Mund um Xie Kontra zu geben.
„Verkneif es dir!”, sagte Ri.
Shui schwieg. Das Abendessen verlief weiter ruhig. Ri umschiffte geschickt Themen, die Shui und Xie wieder Grund gegeben hätten zu Streiten.
Yu fühlte sich so wohl, wie schon lange nicht mehr. Endlich sassen sie mal wieder alle beisammen ohne, dass einer von ihnen gleich wieder irgendwohin hetzen musste.
„Hey, Yu!”, rief plötzlich eine Stimme.
„Was träumst du so in der Gegend rum?”
Yu hob den Kopf und sah Ri in die Augen.
„Nichts.”, sagte Yu schlicht.
„Ich hab mir nur gerade etwas gewünscht.”
„Was denn?”, fragte Shui wissbegierig.
„Dass es ewig so weitergeht.”
„Wie weitergeht?”
„Dass es so ruhig bleibt. In den letzten Tagen, hattet ihr nur wenig Zeit. Wenn ihr nicht gearbeitet habt, habt ihr euch über irgendetwas anderes den Kop zerbrochen. Heute ist es das erstemal seit Tagen, dass wir so zusammensitzen, wie eine richtige Familie.”
„Das hast du süss gesagt.”, sagte Ri und legte seinen Arm um Yus Schultern.
„Ja, es wäre schon schön, wenn wir mehr wie eine normale Familie sein könnten.”, sagte Shui und lehnte sich zurück.
„Ihr vergesst darüber aber das Wichtigste.”, sagte Ri
„Wir vier sind eine Familie.”
Sie lachten. Yu kippte vor Lachen fast hinten über.
Auf einmal begann das Feuer in Kamin hinter ihnen lauter zu prasseln. Alle drehten sich um. Ri stand auf und ging zum Kamin. Er kniete sich davor auf den Boden. Das Feuer schien ihn zu hypnotisieren. Die Flammen schlugen auf einmal aus dem Kamin und hüllten Ri ein.
Yu wollte Ri helfen aber Shui hielt ihn zurück.
Die Flammen wichen zurück und gaben Ri wieder frei. Ri drehte sich zu ihnen um. Ein Gesicht hatte einen ernsten Ausdruck angenommen.
„Dämonenangriff.”, sagte Ri kurzatmig.
„Wo?”, fragte Xie.
„über dem Stadtgebiet Shibuya.”
„Das Gebiet ist dicht besiedelt. Das könnte gefährlich werden.”
„Shui, bleib du hier bei Yu. Xie und ich sehen nach dem Rechten.”
Noch bevor jemand etwas anders sagen konnte, waren Ri und Xie schon verschwunden. Shui machte ein enttäuschtes Gesicht. Es passte ihm wohl nicht, dass er hier bleiben musste.
„Man, da ist nach langem endlich mal wieder was los und ich muss hier bleiben.”, murmelte er vor sich hin.
„Was war das eigentlich vorhin mit dem Kaminfeuer?”, fragte Yu und deutete auf den Kamin.
„Das war eine ^Elementenorder^, eine Art Eilbotschaft. Wichtige Einsatzbefehle werden über die Elemente übermittelt.”
„Hä?”
„Weißt du, wir Guardians sind in der Lage gewisse Botschaften über die Elemente zu übermitteln. das klappt allerdings nur, wenn das Element mit den Kräften des Guardians kompatibel ist. Da Ris Spezialgebiet das Feuer ist, werden seine nachrichten über das Feuer übermittelt.”
„Das verstehe ich nicht ganz.”
„Das ist doch ganz einfach. Das funktioniert so ähnlich wie E-Mail. Man gibt eine Nachricht ein und schickt sie anhand der Energieströme an den Empfänger. Weisst du, die Energieströme jedes Guardians sind unterschiedlich.”
„Aha, ich kapier^s zwar immer noch nicht ganz aber...”
„Das brauchst du auch gar nicht zu verstehen.”
„Was ist eigentlich dein Spezialgebiet?”
„Meins ist das Wasser.”
„Ach. Was Xie wohl für ein Spezialgebiet hat?”
„Ihr Spezialgebiet ist Eis.”
„Woher weißt du das?”
„Die Energieströme eines Guardians sind wie eine Akte. Man kann einiges über die Persönlichkeit dieser Person erfahren, wenn man sie lesen kann.”
„Was kann man denn da erfahren?”
„Na ja. So viel nun eigentlich auch nicht. Wie kompatibel diese Person ist, was führ eine Laune sie hat und so. es ist allerdings sehr schwierig, man braucht viel übung.”
„Was kannst du denn bei mir sehen?”
„Nun, bei dir ist das schwierig weil deine Kräfte noch nicht entwickelt sind.”
Yu sah betrübt zu Boden.
„Das ist aber auch verdammt schwierig. Ich trainier jede frei Minute mit Ri und trotzdem zeig sich noch kein Fortschritt.”
„Das kommt noch, glaub mir. Weisst du, diene Kräfte werden sich erst dann zeigen, wenn du deine Flügel bekommst. Das ist bei allen Guardians so. Deine Kräfte werden schon bald erwachen.”
Shui liess sich aufs Sofa fallen. Er streckte sich und griff nach der Fernbedienung.
„Was ist mit Xie?”, fragte Yu.
„Was soll mit ihr sein?”
„Was hälst du von ihr?”
„Sie ist laut. Sie ist brutal. Sie ist launisch und hat dazu noch keinen Humor. Was soll man dazu noch sagen?”
„Heisst das, dass du sie nicht magst?”
„Das hab ich nicht gesagt. Ich bin sicher, dass sie ganz nett sein kann, wenn sie will. Ich meine, sie ist irgendwie interessant. Sie ist stark, mutig und irgendwie geheimnisvoll. Ihre verschlossene Art, das macht mich richtig neugierig. Und ihr hübsches Gesicht.”
Yu sah Shui verwundert an.
„Was ist?”, fragte Shui ebenso verwundert.
„Kann es sein, dass du dich in Xie verknallt hast?”
„Hast du sie noch alle? Doch nicht in die!”
„Shui ist in Xie verknallt.”
„Wirst du wohl still sein!”
Shui nahm Yu in den Schwitzkasten und gab ihm eine leichte Kopfnuss. Yu versuchte sich aus Shuis Griff zu befreien. Yu und Shui kicherten. Als Shui seinen Bruder endlich losliess, waren sie beide total ausgepowert.
Auf einmal durchfuhr sie ein Schrei. Es war kein gewöhnlicher Schrei. Der Schrei kam aus ihrem Inneren.
Yu verstand nichts. Er drehte sich nach Shui um. Doch Shui stand schon an der offenen Verandatür. Die Flügel auf dem Rücken gespannt. Er sah Yu mit einem wehleidigen Gesichtsausdruck an. Dann, ohne ein Wort zu sagen, flog er aus dem haus. Yu rannte Shui ohne zu überlegen nach.
Das Shibuya Stadtviertel war zwar nicht sehr weit weg aber zu Fuss und dann noch im Vollspurt war es ein ziemliches Stück.
Yu verlor Shui aus den Augen. Er war einfach zu schnell. Schliesslich musste er in der Luft nicht um etliche Ecken laufen.
Shui spürte, wie er langsam in die Nähe eines Kampfes kam. Die Energien waren aufgewühlt und zum zerreissen gespannt. Endlich, hinter dem nächsten Haus kamen sie in Sicht. Ri und Xie bekämpften einen Dämon, der etwa so gross wie ein Haus war.
Ri versuchte gerade anzugreifen. Der Dämon hob die klauenähnliche Hand und schlug damit nach Ri. Ri wurde wehgeschleudert. Shui fing Ri ab.
„Alles klar?”, fragte Shui.
„Was machst du denn hier?!”, rief Ri als er Shui erkannte.
„Ich habe euch schreien gehört. Ich dachte ihr währt in Gefahr.”
„Niemand hat geschrieen.”, sagte Xie die gerade zu ihnen geflogen kam.
„Sag mir bitte nicht, dass du Yu allein gelassen hast!”, rief Ri entsetzt.
„Yu, den hab ich ganz vergessen.”, sagte Shui.
„Du Vollidiot!”, schrie Ri und packte ihn am Kragen.
„Du weißt ganz genau, dass Yu im Moment sehr gefährdet ist!”
„Achtung!”, schrie Xie und stiess die beiden zur Seite.
Der Dämon warf nun mit Flammenkugeln nach ihnen. Die drei trudelten zu Boden und krachten durch das Geäst der nahen Bäume.
„Seid ihr alle in Ordnung?”, fragte Ri besorgt.
„Ja.”, sagte Xie und zog sich die Blätter aus den Haaren.
„Ich bin zum Glück auf etwas weichem gelandet.”
Worauf immer Xie gelandet war, es begann sich zu bewegen und leise zu stöhnen. Xie sass auf Yus Rücken. Xie sprang sofort auf und zog Yu auf die Beine.
„Yu, bist du in Ordnung?”, fragte Ri.
„Ja, ja.”, antwortete Yu.
„Ich dachte nur gerade, dass der Himmel runterfällt.”
„Was machst du überhaupt hier?”
„Shui ist so plötzlich verschwunden nachdem wir diesen Schrei gehört hatten, da hab ich mir Sorgen gemacht.”
„Yu hat den Schrei auch gehört?”, sagte Xie nachdenklich.
„Das ist mir aber gar nicht geheuer.”, sagte Ri beunruhigt.
„Das ist bestimmte eine Falle.”
„Wie recht du hast, Ri.”, rief eine kalte Stimme über ihnen.
„Dao.”, sagte Ri mit den Zähnen knirschend.
„Ganz genau.”, antwortete die Stimme.
Zwischen den ästen der Bäume er schien der Typ, der vor einiger Zeit Orions Burg angegriffen hatte.
„Es hat aber ganz schön lange gedauert, bis es dir aufgefallen ist, mein Guter. Kann es sein, dass du langsam nachlässt?”
„Was willst du?”, rief Ri.
„Liegt das nicht auf der Hand? Ich will dir das nehmen, was du am meisten liebst.”
Der hausgrosse Dämon griff auf ein Zeichen von Dao nach Yu. Die Bewegung des Dämons war so schnell, dass keiner reagieren konnte. Shui, der Yu helfen wollte wurde zur Seite geschleudert. Yu konnte sich nicht wehren. Die eisigen Klauen umschlossen seinen Körper wie ein Schraubstock. Der Dämon drückte zu. Yu entfuhr ein leiser Schrei.
„Ich will, dass du auf Knien um Gnade winselst.”, höhnte Dao.
„Lass Yu da raus. Du willst doch mich!”
„Ja, schon aber so macht^s mehr Spass.”
Ris Gesicht verkrampfte sich. Am liebsten hätte er Dao angegriffen. Aber er hatte Angst dass er Yu dabei verletzen könnte. Auch Shui und Xie standen hilflos da. Xie dachte angestrengt nach, ob es möglich wäre den Dämon so abzulenken, dass sie Yu befreien konnte. Shui hingegen bekam gar keinen klaren Kopf mehr. Er wusste genau, dass die ganze Misere seine Schuld war. Er hatte Yu einfach so allein gelassen, ohne dabei nachzudenken.
„Na ja, jetzt wo wir alle zusammen sind, können wir doch ein wenig Spass haben.”, sagte Dao.
Dao beschwor Blitze herauf und schleuderte sie gegen die drei Guardians am Boden.
„Nur abwehren.”, rief Ri den anderen zu.
„Wenn ihr angreift könntet ihr Yu verletzen.”
Es nützte nicht viel. Dao hatte seine Kräfte in der Unterwelt noch weiter verfeinert und in der Luft war er den dreien am Boden überlegen. Dao bombardierte sie immer weiter. Das konnten sie nicht mehr lange durchhalten.
„Hör auf!”, schrie Yu plötzlich.
„Lass sie, bitte. Mach mit mir was du willst aber lass meine Familie bitte in ruhe.”
Yu konnte kaum richtig sprechen da der Dämon ihn fast zerquetschte.
„Ja, eigentlich könnte ich das tun.”, sagte Dao.
„Aber nö, das macht viel mehr Spass.”
Dao beschwor den nächsten Blitz herauf. Dieser war aber sehr viel gewaltiger als die vorangegangenen.
„Pass auf.”, sagte Dao zu Yu.
„Jetzt lösch ich deine Lieben aus.”
„NEIN!”
Yu spürte stechende Schmerzen in den Schultern. Es war stärker als je zuvor. Yu schrie. Ihm wurde heiss. Der Dämon lies Yu auf einmal los. Yu schwebte in der Luft.
Yu spürte, wie ihm etwas aus den Schultern wuchs. Es waren Flügel. Yu wuchsen Flügel.
Dao sah entsetzt aus.
„Flügel? Ich hätte nie gedacht, dass ein Halbblüter wie du so schnell zu Flügeln kommt.”
Yu sagte nichts, er sah Dao nur wütend an.
Eine eigenartig starke Energie durchfloss Yu auf einmal. Er war wild entschlossen.
Yu konzentrierte seine Energie. Er spürte, wie die Energie aus seinem Körper floss und sich in die Umgebung verteilte. Ein leichter Wind zog auf. Langsam wurde der Wind stärker bis er zu einem Orkan herangewachsen war. Wolken zogen sich zusammen. Blitze zuckten. Regen peitschte. Der Donner vereinigte sich mit dem Heulen des Windes. Yu begann die gewaltigen Energien mit den Händen zu dirigieren. Ein Wirbelsturm entstand. Der Wirbelsturm erfasste den Dämon und Dao und schleuderte sie in hohem bogen durch die Luft. Der Sturm flaute ab. Die Wolken trieben wieder auseinander und der Wind legte sich. Die Spannung wich aus Yus Körper und fiel er zu Boden. Ri und Shui fingen ihn in der Luft ab und brachten ihn zu Boden.
„Das war spitze, einfach toll!”, rief Shui aufgeregt.
„Seht euch mal Yus Flügel an.”, sagte Xie.
Yu sah sich seine Flügel genauer an. Sein linker Flügel war schneeweiss und sein rechter war schwarz.
Zuhause im Garten beugte sich Yu über den Teich. Er betrachtete sein Spiegelbild auf der Wasseroberfläche. Sein linker Flügel spiegelte das Licht des Mondes wieder. Sein rechter Flügel war aber wie ein Schatten.
„Na, wie seh^ ich aus?”, fragte Yu und drehte sich um.
Ri, Shui und Xie sassen auf der Veranda.
„Nicht übel.”, sagte Ri.
Yu lachte.
„Sagt mal, warum konnte ich eigentlich nicht fliegen?”
„Weil du es erst noch lernen musst.”
Ri spannte seine Flügel und erhob sich in die Luft. Er flog zu Yu hinüber und reichte ihm die Hand.
„Was hast du vor?”, fragte Yu.
„Ich will ein Versprechen einlösen.”
Ri zog Yu in die Luft.
„Spann die Flügel.”, rief Ri.
Yu tat was Ri ihm sagte. Ri nahm Yus Hände und zog ihn so durch die Luft, dass er auf seinen Flügeln glitt. Yu spürte, wie der Wind unter seine Flügel griff und ihn langsam höher trug. Yu fühlte sich wunderbar leicht.
„Ri, lass mich mal alleine fliegen.”, rief Yu.
„Aber du fliegst doch allein.”, antwortete Ri.
Yu sah nach unten. Ri flog unter ihm und Yu flog tatsächlich allein. Yu war noch ein bisschen wackelig. Die kühle Nachtluft fühlte sich aber angenehm an, wie sie so über seine Flügel strich.
„Hab keine Angst.”, sagte Ri besänftigend.
„Wenn du mit den Flügeln schlägst, wirst du schneller und steigst auf. Versuchs mal.”
Yu versuchte mit den Flügeln zu schlagen. Sie fühlten sich schwer an. Langsam stieg er höher. Yu wurde schneller und immer schneller. Der Wind pfiff ihm nur so um die Ohren. Das Blut rauschte ihm in den Ohren. Er konnte Ri nicht mehr hören, der ihm aus einiger Entfernung noch zurief, dass er nicht zu schnell fliegen sollte.
Jetzt, wo Yu in der Luft war, wollte er am liebsten gar nicht mehr runter. Er genoss die Höhe, den Wind und die Geschwindigkeit. Er fühlte sich frei. Er hatte das Gefühl, als wenn er jede Grenze ganz einfach überwinden könnte.
Auf einmal wurde Yu komisch. Er fühlte sich irgendwie trieslig und ihm war, als wenn ein Schleier vor seine Augen treten würde. Yu merkte nicht, wie er immer mehr an Höhe verlor. Yu wechselte in einen Gleitflug. Dann kam er ins trudeln bis er schliesslich ganz den Halt verlor. Ri war zu weit entfernt um ihm zu helfen.
Yu stürzte in einen Baum. Er fiel durch die knacksenden Zweige, prallte gegen die starken äste und fiel schliesslich auf den harten Pflasterweg.
ächzend richtete Yu sich auf. Es war so dunkel, dass Yu kaum etwas sehen konnte. Er blinzelte. Langsam gewöhnten sich seine Augen an die Dunkelheit. Langsam fügten sich die Umrisse zu einem Ganzen zusammen.
Yu war auf einem Friedhof. Yu bekam eine Gänsehaut.
Am Ende des Pflasterweges lagen zwei Gräber mit einem grossen Grabstein. Yu stand auf und trat langsam auf das Doppelgrab zu. Der Mond warf sein kaltes licht auf den Grabstein. Auf dem Grabstein stand in altmodischer Schrift geschrieben:
^Long Mizuno und Mika Mizuno. Treue Freunde und geliebte Eltern.^
Yu stockte der Atem. Das war das Grab seiner Eltern. Er hörte ein leises Geräusch hinter sich. Yu wirbelte herum. Ri war hinter ihm gelandet.
„Bist du in Ordnung?”, fragte Ri. Yu nickte nur.
„Was hast du?”
Yu sah auf das Grab.
„Ich verstehe.”
Yu quollen Tränen aus den Augen.
„Ich kann mich nicht erinnern.”, sagte Yu mit tränenerstickter Stimme.
„Ich kann mich an nichts erinnern. Ich weiss nicht mehr, wie sie ausgesehen haben. Ich erinnere mich nicht an ihre Stimmen. Ich möchte auch meine Eltern haben, so wie die anderen Kinder.”
Yu presste die Flügel gegen den zitternden Körper. Er wandte sich von Ri ab. Er wollte ihm nicht zeigen, dass er weinte. Ri drehte Yu um.
„Ich weiss, dass ich dir weder Vater noch Mutter ersetzen kann.”, sagte Ri leise und nahm Yu in die Arme.
„Aber ich verspreche dir, dass ich alles tun werde, um dich zu beschützen.”
Ris Flügel legten sich wie ein Mantel um Yu. Yu fühlte sich auf einmal so seltsam ruhig. Es war ein vertrautes, warmes Gefühl. Yu erinnerte sich an dieses Gefühl. Das Gefühl als Ri ihn zum ersten mal im Arm gehalten hatte. Er erinnerte sich, wie sehr er Ris warme, weiche Flügel geliebt hatte.
„Ich bin so müde.”, wisperte Yu leise.
„Ist schon gut.”, sagte Ri leise.
„Du hast dich heute völlig verausgabt. Es wird Zeit, dass wir nach hause kommen.”
Ri hob Yu hoch und brachte ihn nach hause.
Zu hause warteten Shui und Xie schon auf sie.
„Und? Wie war die erste Flugstunde?”, fragte Shui.
„War toll.”, sagte Yu müde.
„Ich weiss noch, wie ich das erste mal geflogen bin. Das war ein riesig tolles Gefühl.”
„Du warst so nervös, dass du in den nächsten Baum geflogen bist.”, sagte Ri.
„Du bist in einen Baum gerasselt?”, fragte Xie lachend.
„Ich war halt aufgeregt.”, verteidigte sich Shui.
„Mir ist das nicht passiert. Es ging von Anfang an reibungslos. Na ja, ich hatte ein bisschen Probleme damit, das Tempo zu regulieren.”
Yu gähnte tief.
„Ich denke du gehst besser ins Bett, Yu.”, sagte Ri.
„Du hattest schon genug Stress für einen Tag.”
Yu nickte nur müde und drehte sich um. Als er gerade das Zimmer verlassen wollte, kam er plötzlich ins taumeln. Yu stützte sich an der Wand ab und presste die frei Hand gegen den Kopf.
„Ist alles in Ordnung?”, rief Ri.
„Ist schon gut.”, sagte Yu.
„Mir war nur schwindlig.”
Yu ging ohne die entsetzten Gesichter der drei zu beachten.
In seinem Zimmer, liess sich Yu ins Bett fallen und war schon eingeschlafen, bevor seine Kopf das Kissen berührte.
Der nächste Tag brach schwer und trist an. Es regnete und die entfernte Umgebung lag in einem verschwommenen Schleier da. Das Klingeln des Weckers dröhnte in den Ohren. Aus einem Gewirr aus Decke, Kissen und Bettlacken tauchte eine Hand auf und suchte tastend nach der Lärmquelle.
Yu setzte sich auf. Ihm war schwindlig und sein Kopf schmerzte, er fühlte sich völlig ausgebrannt.
Langsam kroch Yu aus dem Bett. Ging aus seinem Zimmer und schlich durch den Flur. Yu stützte sich aufs Treppengeländer um die Treppe runter zu kommen. Auf einmal stolperte er. Das Treppengeländer entglitt seinen schwitzigen Händen.
Aber Yu schlug nicht am Boden auf. Er schwebte nur wenige Zentimeter über dem Boden. Yu hob den Kopf. Xie stand in der Tür zur Küche und hatte die Hände, mit den Handflächen nach aussen, auf Yu gerichtet. Sie hatte Yu so abfangen und verhindern können, dass er aufschlug.
„Bist du okay?”, fragte Xie und half Yu auf die Beine.
„Ja, ja.”, sagte Yu und taumelte an Xie vorbei in die Küche.
Shui und Ri sassen schon in der Küche. Yu liess sich auf den ihm am nächsten Stuhl fallen und legte seinen Kopf auf die, auf dem Tisch verschränkten Arme. Ri und Shui sahen Yu entsetzt an und auch Xie, die in der Tür stand, sah besorgt aus.
„Geht^s dir gut, Yu?”, fragte Shui.
„Ja!”, antwortete Yu energisch.
„Ich bin nur müde und durstig. Kann ich ein Glass Wasser haben?”
„Hier.”, sagte Ri und stellte Yu ein Glass Wasser hin.
Als Yu den Kopf hob, legte Ri seine Hand an Yus Gesicht und sah ihm in die Augen.
„Glasige Augen.”, sagte Ri leise und legte seine Hand auf Yus Stirn.
„Und du bist leicht fiebrig. Bist du sicher, dass es dir gut geht?”
„Ja.”, antwortete Yu.
„Es ist alles in Ordnung. Mach dir keine Sorgen.”
„Ist dir schwindlig?”
„ähm, ja.”
„Hast du Kopfschmerzen?”
„Ein bisschen.”
Ri seufzte.
„Ich denke, es ist besser, wenn du heute zu hause bleibst. Ich hoffe nur, dass du dir nicht auch noch die Grippe eingefangen hast. Xie, du bist doch heute zu hause oder?”
„Ja, voraussichtlich schon.”, sagte Xie.
„Gut, dann pass bitte ein bisschen auf Yu auf.”
„Mach ich.”
„Ich komme heute früher nach hause.”, sagte Shui.
„Also keine Sorge. Jetzt muss ich aber los.”
Shui stand auf und verabschiedete sich. Wenige Minuten später, hörte man Shuis Motorrad davonfahren.
„Ich muss auch gehen.”, sagte Ri.
„Ich sehe zu, dass ich früher nach hause kommen kann. Und Yu, du gehst gefälligst wieder ins Bett und ruhst dich aus. Klar?”
„Ist klar.”, sagte Yu müde.
Yu sah Ri nach als dieser aus der Küche ging. Xie folgte ihm.
Yu griff nach dem Wasserglas, welches vor ihm auf den Tisch stand und trank es gierig aus. Er stellte das Glas wieder auf den Tisch, stand, wenn auch etwas wacklig, auf und Taumelte wieder die Treppe hinauf in seine Zimmer.
Xie stand mit Ri draussen vor der Tür.
„Meinst du, dass mit Yu alles in Ordnung ist?”, fragte Xie besorgt.
„Wahrscheinlich ist es nur eine Grippe.”, sagte Ri.
„Vielleicht ist es noch nicht einmal das.”
„Und was, wenn doch?”
„Machst du dir Sorgen?”
„Ja, natürlich. Was hast du dir denn gedacht?”
„Es könnte natürlich auch etwas Ernstes sein. Ich hoffe es allerdings nicht. Falls etwas wäre, hast du ja die Nummer vom Krankenhaus.”
Xie nickte. Ri verabschiedete sich von Xie, stieg in sein Auto und fuhr los.
Xie ging wieder ins Haus. Sie setzte sich mit einer Tasse Kaffe an den Küchentisch und lass in einem Magazin.
Als Xie nach einer Weile wieder von ihrem Heft aufsah, bemerkte sie Shuis Handy auf der Küchentheke.
Xie schlug sich mit der Hand gegen den Kopf. Wie kann man nur sein Handy vergessen? Fragte sich Xie. Sie überlegte, ob sie es ihm schnell bringen sollte. Aber eigentlich sollte sie doch auf Yu aufpassen.
Xie kam zu dem Entschluss, dass es wohl nicht lange dauern würde. Also schnappte sie sich das Handy und ihre Jacke und war schon im nächsten Moment verschwunden.
Der Regen wurde immer heftiger. Der Wind peitschte die Regentropfen gegen die Fenster, pfiff ums Haus und heulte, dass es zum fürchten klang.
Yu lag in seinem Bett. Nervös wälzte er sich von einer Seite auf die andere. Ihn quälten üble Alpträume. Er träumte, dass er von dunklen Schatten verfolgt würde.
Mit einem Ruck, schreckte Yu aus seinem Unruhigen Schlaf hoch. Ihm war heiss. Kalter Schweiss rann ihm übers Gesicht. Keuchend schnappte er nach Luft. Seine Lungen schmerzten bei jedem Atemzug. Yu war so müde, dass er sich kaum bewegen konnte. Dazu verspürte er einen unheimlichen Durst.
Yu zog sich mühsam aus dem Bett. Als er sich auf den Bettrand setzte, wurde ihm plötzlich schwindlig. Als er dann aufstand, wurde es noch schlimmer. Ihm war, als wenn sich das ganze Zimmer um ihn drehen würde. Yu konnte sich in seinem Zimmer nicht mehr orientieren. Er verlor das Gleichgewicht. Und mit einem dumpfen Geräusch schlug Yu am Boden auf.
Xie kam einige Minuten später nach hause. Sie war patschnass und hängte ihre tropfende Jacke an die Garderobe. Sie ging ins Badezimmer und holte sich ein Handtuch um ihre Haare zu trocknen.
Xie stutzte. Irgendwie hatte sie das Gefühl, dass irgendwas nicht stimmte. Sie konnte nicht sagen was. Ihre innere Stimme sagte ihr, dass in ihrer Abwesenheit etwas geschehen war. Sie konnte nicht ahnen, was sich nur wenige Minuten zuvor zugetragen hatte.
„Yu, bist du wach?”, rief Xie mit leicht zittriger Stimme. Keine Antwort.
„Yu, ist alles in Ordnung? Hörst du mich?”
Wieder blieb Xies Ruf unbeantwortet. Xie horchte. Alles war still. Wie ausgestorben. Langsam überkam Xie ein ungutes Gefühl. Das Haus war auf einmal von einer ungewöhnlichen Aura erfüllt. Normalerweise waren die Räume von einer herzlichen Wärme durchflutet. Jetzt herrschte hier eisige Kälte. Eine sterbens Kälte. Als wenn das ganze Leben aus dem Haus gewichen wäre.
Xie eilte die Treppe hinauf und riss die Tür zu Yus Zimmer auf. Erst wich sie vor Schreck einen Schritt zurück. Yu lag in seinem Zimmer bewusstlos am Boden. Er war von einem dunklen Dunst umgeben. Xie lief durchs Zimmer und riss das Fenster weit auf. Ein heftiger Windstoss fegte durch den Raum und die offene Zimmertür. Der dunkle Dunst wurde weggeblasen.
Xie ging zurück zu Yu. Sie kniete sich neben ihm nieder und drehte ihn auf den Rücken. Yu zitterte am ganzen Körper und Schweiss rann ihm übers Gesicht. Xie hob ihn hoch und legte ihn aufs Bett. Er war federleicht.
Xie lief zurück in den Flur, hängte sich ans Telefon und wählte die Nummer vom Hospital indem Ri arbeitete.
„Ja, bitte?”, meldete sich eine junge Frauenstimme.
„Kann ich bitte mit Dr. Ri Mizuno sprechen?”, sagte Xie.
„Er ist zur Zeit sehr beschäftigt.”
„Sagen Sie ihm, dass es wichtig ist.”
„Entschuldigen Sie aber die Patienten haben im Moment vorrang.”
„Holen Sie ihn ans Telefon, verdammt noch mal!”
„Schon gut, schon gut. Wer, soll ich sagen, will ihn sprechen?”
„Xie!”
„Warten Sie einen Moment.”
Für eine kurze Weile herrschte Stille in der Leitung. Nach ein paar Minuten meldete sich Ris Stimme am anderen Ende.
„Xie, ich bin^s.”, meldete sich Ri. „Was ist los?”
„Es ist wegen Yu.”, sagte Xie hastig. „Sein Zustand hat sich verschlimmert.”
„In wie fern? Hat er Fieber? Ist ihm schlecht oder so was?”
„Er hat bewusstlos am Boden gelegen. Er war vom schwarzen Hauch umgeben.”
Xie bekam keine Antwort mehr.
„Ri? Ri, bist du noch da?”
„Ja, ich hab nur kurz nachgedacht. Hör mir gut zu Xie. Ruf Shui an und sag ihm er soll sofort nach hause kommen und zwar so schnell wie möglich. Dann machst du alle Fenster im Haus auf damit alles vom Wind durchlüftet wird. Ist das klar?”
„Ja, alles klar.”
„Ich komme so schnell ich kann nach hause.”
Xie legte den Hörer auf und tat gleich, was Ri ihr gesagt hatte.
Etwa eine dreiviertel Stunde später kam auch Ri nach hause. Ri hatte sich beeilt so gut er konnte. Xie und Shui hatten Yu ins Wohnzimmer gebracht. Er war noch immer Bewusstlos.
„Wie sieht^s aus?”, fragte Ri als er das Wohnzimmer betrat.
„Keine Veränderung.”, sagte Xie.
„Wenigstens ist es nicht schlimmer geworden.”
„Ich hab schon versucht ihn zu heilen.”, sagte Shui aufgeregt.
„Aber...”
„Ich weiss.”, sagte Ri als Shui mitten im Satz abbrach.
„Das kannst du leider nicht heilen.”
Ri setzte sich auf den Rand des Sofas neben Yu. Yus Körper zitterte. Als Ri sich nieder liess, zuckte Yu kurz zusammen. Ri fühlte ihm den Puls und die Stirn. Yus Herz raste und er hatte hohes Fieber.
„Energieschwund.”, sagte Ri leise.
„Was jetzt?”, fragte Xie.
„Ich weiss es nicht.”
„Aber irgendwas müssen wir doch tun!”, rief Shui.
„Ja aber was denn!”, rief Xie.
„Soviel ich weis, gibt es nichts gegen Energieschwund.”
Ri hörte nicht auf die beiden. Er strich Yu sanft über die Wange. Wie, wenn er auf Ris Berührung reagieren würde, öffnete er langsam blinzelnd die Augen.
„Was ist los?”, fragte Yu mit heiserer Stimme.
„Wie fühlst du dich?”, fragte Ri.
„Mir ist kalt und ich habe solchen durst.”
Ri sah Yu besorgt an.
„Was ist?”, fragte Yu.
„Nichts, nichts.”, sagte Ri und bemühte sich um ein Lächeln.
„Es ist sicher nur eine Grippe. Das ist schnell wieder vorbei. Ruh dich aus.”
Ri strich Yu liebkosend über die Wange um ihn zu beruhigen. Yu schloss die Augen. Er fühlte sich so schwach, dass er kaum wach bleiben konnte.
Shui zog Ri von Yu weg.
„Was machen wir denn jetzt?”, fragte Shui flüsternd.
„Wir können ja schliesslich nicht einfach zusehen.”
„Shui, Yu bräuchte dringend Energie.”, sagte Ri.
„Im Moment zieht Yus Körper die Energie aus der Umgebung um sich am Leben zu erhalten aber auf Dauer wird das nicht reichen.”
„Kann man ihm denn nicht einfach Energie übertragen, so wie eine Bluttransfusion?”
„Nein, das geht nicht.”, sagte Xie.
„Das ist leider nicht möglich. Zudem sind die Energieströme jedes Lebewesens einzigartig. Wenn man ihm fremde Energie geben würde, könnte das seinen Körper schädigen.”
„Können wir denn wirklich gar nichts für Yu tun?”
Ri schüttelte nur den Kopf. Shui liess sich in den Sessel sinken und verbarg das Gesicht in den Händen. Ri begann im Zimmer auf und ab zu gehen. Der Gedanke, dass sie ihrem Bruder nicht helfen konnten, machte sie fast wahnsinnig. Auch Xie wurde zusehends nervöser.
„Orion!”, rief Ri plötzlich.
„Was is?”, fragte Shui verdutzt.
„Dass mir das nicht früher eingefallen ist. Wenn jemand weiss, was wir tun können, dann Orion.”
Noch bevor irgendjemand etwas sagten konnte, hatte sich Ri schon in die Luft geschwungen und war in einem höllischen Tempo aus dem offenen Fenster geflogen.
„Und was machen wir jetzt?”, fragte Shui und sah Ri aus dem Fenster nach.
„Wir passen auf Yu auf.”, sagte Xie.
„Und sorgen dafür, dass er sich einigermassen wohl fühlt.”
Die beiden hörten ein leises Stöhnen. Yu kam wieder zu sich.
„Wie geht es dir Yu?”, fragte Xie und beugte sich über ihn.
„Ging schon mal besser.”, antwortete Yu.
„Wenigstens hast du noch deinen Humor.”, sagte Shui und versuchte unbeschwert zu klingen.
„Wo ist Ri?”
„Er wollte zu Or....”
Xie stiess Shui den Ellenbogen in den Magen.
„Ri musste noch mal zurück ins Krankenhaus. Er ist bald wieder da.”
Yu musste husten.
„Kann ich ein Glas Wasser haben?”, sagte Yu.
„Ich bin so schrecklich durstig.”
„Natürlich.”, sagte Xie.
„Lass nur. Ich mach das schon.”, sagte Shui und rieb sich die Rippen.
Xie setzte sich auf den Rand des Sofas. Sie nahm ein Taschentuch und tupfte Yu den Schweiss von der Stirn. Shui kam aus der Küche zurück. Er reichte Xie das Wasserglas. Xie setzte Yu das Glas an die Lippen. Yu trank das Wasser in kleinen Schlücken.
„Danke.”, sagte Yu als Xie das Glas wieder absetzte.
Das Telefon klingelte.
„Ich geh schon.”, sagte Shui und ging aus dem Zimmer.
Yu bibberte. Xie zog ihm die dünne Wolldecke bis zu den Schultern hoch.
„Xie.”, sagte Yu so leise, dass man ihn fast nicht hören konnte.
„Ja?”, sagte Xie.
„Ich habe Angst.”
„Aber wovor denn? Das ist doch völlig unnötig.”
„Es ist nur, ich fühle mich so komisch. So Müde. Als wenn ich einschlafen würde und nicht mehr aufwachen würde.”
„Du brauchst keine Angst zu haben. Du wirst einschlafen und wenn du wieder aufwachst, bist du wieder gesund.”
Xies Innerstes verkrampfte sich. Sie bemühte sich trotzdem um ein Lächeln. Yu lächelte ebenfalls.
„Du gibst ne gute Mutter ab.”, sagte er mit einem Grinsen.
„Ich und Mutter, das hättest du wohl gern.”
Yu war so erschöpft, dass er sofort wieder einschlief. Xie sah Yu an. Er war kreidebleich. Er zitterte wie Espenlaub und Xie hatte das Gefühl, dass der schwarze Hauch ihn wieder einhüllte.
Shui kam wieder ins Wohnzimmer.
„Das wahr mein Chef.”, sagte er.
„Er wollte nur wissen, ob ich heute noch mal komme. Jetzt musste ich ihm die ganz Sache erklären.”
Xie sah Shui entschlossen an.
„Was ist?”
„Ich kann Yu helfen.”, sagte Xie knapp.
„Was?! Wie?”
„Ich könnte dir etwas Energie aussaugen und sie auf Yu übertragen.”
„Hast du nicht vorher noch gesagt, dass fremde Energie schädlich wär?”
„Du bist sein Bruder. Eure Energieströme sind fast gleich. Ich gebe ihm auch nur soviel, dass sein Körper wider in der Lage ist sich selbst zu regenerieren.”
Jetzt wurde auch Shui ernst. Er stellte keine Fragen. Shui legte den Kopf leicht zur Seite und strich sich die langen Haare aus dem Nacken.
„Dann tu es.”, sagte Shui.
Xie wirkte leicht irritiert.
„Willst du denn gar nicht wissen...”
„Verlier bitte keine Zeit.”
„Okay. Du wirst dich wahrscheinlich etwas matt fühlen.”
Xie trat zu Shui und öffnete den Mund. Ihre Eckzähne blitzten. Shui spürte ein leichtes Pieksen. Dann breitete sich ein eisiges Gefühl von der Stelle aus. Shui wollte Xie instinkttief von sich wegstossen aber er war bereits zu schwach dazu. Shui wurde ohnmächtig.
Xie packte Shui an den Oberarmen damit er nicht am Boden aufschlug. Sie legte ihn sanft auf den Boden und ging dann zu Yu hinüber.
Das Zittern war inzwischen durch ein heftiges Zucken abgelöst worden. Xie strich ihm das schweissnasse Haar aus dem bleichen Gesicht. Xie zog Yu an den Schultern hoch. Sie beugte sich über ihn, bis ihr Gesicht ganz nah an seinem war. Xie zog Yus Kinn leicht nach unten damit sich seine Mund öffnete. Auch Xie öffnete ihren Mund ein bisschen. Ein feiner Lichtstrahl, dünn wie ein Faden, floss von Xies Lippen zu Yus. Yus Körper verkrampfte sich. Xie liess Yus Oberkörper wieder zurück aufs Sofa gleiten und bettete seinen Kopf sanft aufs Kissen. Dann wandte sie sich Shui zu, der immer noch am Boden lag und legte ihm ebenfalls ein Kissen unter den Kopf. Dann stand Xie auf und ging aus dem Haus.
Shui träumte gerade von duzenden hübschen Mädchen, die ihn umschwärmten, als er äusserst unsanft wachgerüttelt wurde.
„Nicht zu glauben!”, rief Ri, der über Shui gebeugt am Boden kniete.
„Selbst im Schlaf baggerst du noch wie blöd!”
„Was n^ los?”, fragte Shui benebelt. Dann fiel es ihm plötzlich wieder ein.
„Yu! was ist mit Yu? wie geht es ihm?”
„So wie es aussieht, besser. Was habt ihr gemacht?”
„Als du weg warst, ist uns eingefallen, wie wir Yu retten können.”
„Euch ist etwas eingefallen?”
„Also, eigentlich war es ja Xies Einfall.”
„Dacht ich^s mir doch. Wie habt ihr das eigentlich.... Oh, nein. Sag bitte nicht, dass...”
„Xie hat mir Energie ausgesaugt und sie Yu übertragen.”
„Warum musste ich auch fragen?”
„Mich wundert^s eigentlich, dass du nicht auf die Idee gekommen bist.”
„Ich hatte die Idee schon lange aber ich hab sie gleich wieder verworfen.”
„Warum das denn?”
„Bist du so dumm oder tust du nur so?! weißt du nicht, was das für Folgen hat?”
„Nö.”
„Das war ja zu erwarten.”
Ri zog ein in Leder gebundenes Buch aus dem Regal und warf es Shui vor die Füsse.
„Kapitel fünf. Vielleicht fällt es dir dann wieder ein.”, sagte Ri.
Ri wandte sich von Shui ab. Er hob Yu vom Sofa hoch und brachte ihn in sein Zimmer ohne einen Blick zurück auf Shui zu werfen.
Yu lag noch lange in einem tiefen Schlaf. Er schwebte irgendwo am Rande eines Traumes. Von diesem Traum blieb ihm lediglich ein warmes Gefühl der Geborgenheit in Erinnerung, alles andere sank in die tiefen Schatten der Vergessenheit. Langsam glitt Yu vom Traum in die Wirklichkeit zurück. Langsam liess das Schwebegefühl nach, wie wenn er von einer Wolke langsam auf sein Bett hinunter segelte.
Es dauerte einen kurzen Moment, bis Yu realisiert hatte, wo er war und was passiert war. Yu fühlte einen Arm, der sich über seine Schultern gelegt hatte.
Blinzelnd öffnete Yu die Augen. Ri lag neben ihm im Bett und hielt ihn im Arm.
Yu stupste Ri sachte an, um ihn aufzuwecken. Ri öffnete die Augen und sah Yu an.
„Du bist ja wach.”, sagte Ri und setzte sich auf.
„Ja, sieht so aus.”, sagte Yu.
„Aber was machst du denn hier?”
„Ich bin wohl eingeschlafen. Wie fühlst du dich?”
„Als hätte ich eine Woche durchgeschlafen.”
„Na, so lange war^s nun auch wieder nicht.”
Yu sah Ri verwundert an.
„Was war eigentlich los? Ich kann mich an gar nichts mehr erinnern.”
„Yu, du hattest Energieschwund. Du hast fast drei Tage lang geschlafen.”
„Was ist das, Energieschwund?”
„Du hast bei deiner Sturmbeschwörung zu viel Energie verbraucht. Deshalb konnte sich dein Körper nicht mehr regenerieren. Bis jetzt endete das meistens tödlich für so junge Guardians wie dich. Du schwebtest gerade so zwischen Leben und Tod. Wir dachten, dass wir dich verlieren.”
Yu wurde mulmig bei dem Gedanken, wie dicht er dem Tod entronnen war. Er legte seinen Kopf in Ris Schoss.
„Warum lebe ich dann noch?”
„Das hast du Xie zu verdanken. Als Halbdämon ist sie in der Lage, Energie zu übertragen. Damit hat sie dich gerettet.”
„Dann weisst du jetzt, dass Xie ein Halbdämon ist?”
„Das weiss ich doch schon lange.”
„Ich denke, ich muss mich bei Xie bedanken. Ohne sie würde ich wohl nicht mehr leben.”
„Ja aber leider hat Xie ihr Leben damit verwirkt.”
„Was meinst du damit?”
Yu schreckte hoch.
„Weißt du, das ist so. Vor einigen tausend Jahren sprach ein Dämonengeneral einen Fluch aus. Ein Dämon, der einen Guardian angriff um ihm die Energie auszusaugen und ihn am Leben liess, sollte das eigene leben dafür verlieren, als Strafe dafür, dass sie versagt hatten. Dieser Fluch hält sich bis heute. Und da Xie auch zur Hälfte ein Dämon ist, muss sie sich dem auch beugen.”
„Soll... soll das heissen, dass Xie... das Xie...”
„Nein, nein, ist sie nicht, noch nicht.”
„Gibt es denn gar nichts, was wir für sie tun können?”
„Na ja, etwas gibt es.”
„Was denn? Was denn?”
„Na ja, nach dem der Fluch damals ausgesprochen war, starben viele Guardians und Dämonen. Ein junger Dämon attackierte einst einen Guardian. Er konnte sich wehren und blieb am leben. Der Dämon allerdings war verzweifelt. Er fürchtete den Tod. Der Guardian hatte Mitleid. Der Dämon erklärte sich einverstanden, den Guardians zu helfen, wenn sie ihn dafür vom Fluch befreiten. Der Rat war zwar sehr mächtig aber auch sie waren nicht in der Lage den Fluch abzuwenden. Der Guardian hatte sich mittlerweile mit dem Dämon angefreundet. Als beschloss er einen Pakt mit ihm zu schliessen.”
„Einen Pakt?”
„Das ist eine Art Versprechen. Damit schwören sich zwei Menschen ewige Treue.”
„Ist das ein Art Eheversprechen?”
„Na ja, nicht ganz. Damit verpflichten sich zwei Menschen einander. Heiraten müssen sie ja nicht gleich aber sie sind auf ewig miteinander erbunden und müssen einander treu sein.”
„Wenn ich das richtig verstanden hab, dann müsste Xie mit einem von uns den Packt schliessen.”
„nicht irgendeinen. Es muss der Guardian sein, den sie gebissen hat, also Shui.”
„Na toll, das klappt ja dann wohl nie! Die beiden sind doch wie Hund und Katze!”
„Ja leider.”
„Wo ist Xie eigentlich jetzt?”
„Keine Ahnung. Seit ich nachhausegekommen bin, ist sie verschwunden. Die ganze Sache hat nur noch einen Hacken.”
„Und der währe?”
„Xie muss den packt mit Shui schliessen und zwar noch vor Mitternacht des nächsten Vollmondes.”
„Wann ist das?”
„Wir haben noch vierundzwanzig Stunden.”
Ri stand auf.
„Wo willst du hin?”
„Ich will Xie suchen.”
„Ich komme mit.”
„Nein. Bleib du hier und ruh dich aus. Du musst schnell wieder zu Kräften kommen.”
Mit diesen Worten ging Ri zur Tür hinaus. Yu streckte sich wieder auf dem Bett aus und starrte an die Decke. Er konnte noch immer nicht glauben, was Xie getan hatte. Sie hatte ihr eigenes Leben aufs Spiel gesetzt um seines zu retten und nun würde sie ihr eigenes verlieren. Yu lief eine Träne übers Gesicht. Der Gedanke, dass Xie sterben würde, machte ihn sehr traurig. Yu dachte an das, was ihm Shui über Xie gesagt hatte, dass er Xie mögen würde. Ihn konnten sie sicher leicht dazu bringen, den packt mit Xie zu schliessen. Aber was war mit Xie? Yu kannte ihr Einstellung. Hatte sie das vielleicht beabsichtigt? Wollte sie es vielleicht so haben?
Es war schon Mittag als Yu sein Zimmer verliess. Ihm war langweilig geworden und das viele nachdenken hatten nur dazu geführt, dass er vollkommen verunsichert war, was die Sache Mit dem Packt anging.
Yu setzte sich ins Wohnzimmer und schaltete den Fernseher ein, um sich etwas abzulenken. Er zappte allerdings nur von einem Programm zum anderen und sah auch mehr zum Fenster raus als den Fernsehprogrammen zu folgen.
Auf einmal hörte er ein lautes Poltern draussen im Gang. Yu schlich zur Tür und linste um die Ecke in den Flur. Im Flur Stand Ri. Er hatte Xie bei sich, die wild zappelnd und wüst schimpfend über seiner Schulter lag.
„Lass mich gefälligst runter!”, schrie Xie.
„Sekunde noch.”, sagte Ri.
„Ich will nur sichergehen, dass du uns nicht wieder abhaust.”
Ri trat ins Wohnzimmer.
„Na also.”, sagte Yu lachend.
„Wo war sie denn?”
„Wie hiess die Spelunke noch gleich wo ich sie aufgegriffen hab? ^Zum einsamen Wolf^ oder so ähnlich.”
„Ja, das passt.”, sagte Yu und schlug sich mit der Hand gegen die Stirn.
„Jetzt fehlt uns nur noch Shui. Wo steckt denn mein Bruderhertz?”
Ri sagte den letzten Satz mit einem Unterton, als wenn er ihn jeden Augenblick umbringen könnte.
„Würdest du mich netterweise mal wieder runter lassen?! Ich krieg von dieser Position noch mal Kopfschmerzen!”, schrie Xie, dass Ri und Yu befürchten mussten, das nächstens die ganz Nachbarschaft hier antanzen würde.
Ri stellt Xie wieder auf den Boden. Yu hatte das Gefühl, dass sie müde aussah. Wahrscheinlich hätten ihr eine tüchtige Mütze Schlaf und was anständiges zu Essen nicht geschadet.
„Was wollt ihr eigentlich?”, sagte Xie entrüstet.
„Ich hoffe für euch, dass es einen triftigen Grund gibt, dass Ri mich mitten in der öffentlichkeit einfach so kidnappt.”
„Allerdings, den gibt es!”, rief Yu freudig.
„Du musst nicht sterben Xie, es gibt eine Möglichkeit dich zu retten. Du musst nur einen Packt schliessen.”
„Meinst du, das weiss ich nicht? Ich kenne die Geschichte auch und zwar zu Genüge.”
„Ach so? aber warum bist du dann einfach verschwunden?”
Bevor Xie Yu eine Antwort auf seine Frage geben konnte, betrat Shui den Raum. Er streckte sich und pfiff fröhlich vor sich hin.
„Wie kannst du in dieser Situation nur so ruhig bleiben?”, fragte Ri genervt.
„Wieso? was ist denn?”. Fragte Shui.
„Na, die Sache mit Xie.”
„Was für eine Sache? Hat sie was angestellt?”
„Nein, die Sache mit ihrer dämonischen Hälfte!”
„Was?”
Ri fasste sich an den Kopf.
„Du hast das Buch nicht gelesen, stimmts^?”
„Na ja, ich war an dem Tag eben müde und danach hab ich^s einfach vergessen.”
Ri machte Anstalten, als wenn er Shui erwürgen wollte. Er packte das buch, dass vor ihm auf dem Couchtisch lag und blätterte darin. An einer bestimmten Stelle schlug er es auf und reichte es Shui.
„Lies!”, sagte Ri bestimmt und sah Shui finster an.
„Wo waren wir?”, fragte Xie.
„Ach ja, ich wusste, was ich tun müsste um am Leben zu bleiben und darauf kann ich verzichten.”
„Aber Xie, wie kannst du so etwas nur sagen?”
„Ist ganz einfach.”
„Aber willst du denn unbedingt sterben?”
„Ich hab kein Problem damit.”
„ähm, Xie?”, meldete sich Shui in einer merkwürdig hohen Stimmlage.
„Warum hast du mir denn nichts davon gesagt?”
„Ich hab eigentlich angenommen, du wüsstest das.”
„Trotz dem, eine Warnung wär nicht schlecht gewesen.”
„Du hast doch gesagt, dass wir keine Zeit verlieren dürfen.”
„Wenn ich gewusste hätte, was dabei rauskommt, hätte ich das nie getan.”
„Du hättest deinen Bruder also einfach so sterben lassen?”
„Gen...”, Shui fing Yus bösen Blick auf.
„Mist! Warum trifft^s eigentlich immer mich?”
„Du hattest wohl im Unterrichte einen Fensterplatz”, sagte Ri ernst. „Wenn du im Unterricht aufgepasst hättest, dann hättest du es gewusst.”
„Aber damit zerstörst du mein Image.”
„Meinst du dein Image als Weiberheld? Ausserdem, hast du dir das ganze selber zuzuschreiben.”
„Warum sollte mich das eigentlich kümmern? Xie will ja nicht. Und ich misch mich da nicht ein. Es ist ihr Leben.”
Xie ballte ihre Hände zu Fäusten und auf ihrer Stirn pochte eine Ader. Sie sah aus, als wenn sie im nächsten Moment auf Shui zuspringen und ihn erwürgen würde.
„Was ist mit Xie los?”, fragte Yu.
„Sie hat ihre Kräfte verloren.”, sagte Ri.
„Ach so. Was?”
„Ja, und sie wird sie erst wieder bekommen, wenn sie den Packt geschlossen hat.”
Ri und Yu sahen den beiden zu, aber irgendwie schienen sie auf keinen grünen Zweig zu kommen.
„Shui, du kommst mit mir.”, sagte Ri, packte Shui am Kragen und schleifte ihn in die Küche.
Yu blieb mit Xie im Wohnzimmer zurück.
„Xie, willst du es dir denn nicht noch mal überlegen?”, fragte Yu.
„Nein!”
„Willst du dein Leben denn einfach so ablehnen?”
„Jepp.”
„Also schön, dann tu ich das auch.”
„Wie willst du das denn machen?”
„Ganz einfach, wenn du stirbst, bring ich mich um.”
Xie lachte nur müde. Sie glaubte Yu wohl nicht. Yu wollte ihr beweisen, dass es ihm ernst war. Aber wie? Da fiel ihm Xies Schwert auf, welches in ihrem Gürtel steckte. Yu trat einen Schritt vor und zog das Schwert ruckartig aus seiner Scheide. Er trat zurück und hielt sich die Klinge an die Brust.
„Glaubst du mir jetzt?”
Xie zeigte sich sichtlich unbeeindruckt. Sie winkte nur kurz mit der Hand und das Schwert flog aus Yus Hand wieder zu seiner Besitzerin.
„Ich glaube dir schon, dass du das tun würdest aber ich glaube nicht, dass deine Brüder das zulassen würden”, sagte Xie.
Das hatte nicht geklappt, aber Yu kam eine neu Idee. Er stürmet in die Küche, packte Shui am Kragen und rief Ri zu, er solle Xie holen.
Sie brachten die beiden in einen fensterlosen Raum und schlossen die Türe zu. Yu setzte sich draussen vor die Tür.
„Lass mich hier raus!!”, schrie Xie und hämmerte gegen die Tür.
„Ihr zwei kommt da erst wieder raus, wenn ihr euch vertragen habt.”, sagte Yu bestimmt.
Stundenlang war hinter der Tür nur lautes Keifen und Poltern zu hören.
Yu begann zu zweifeln, dass sich die zwei je einig werden können.
„Ich denke, wir sollten uns wirklich mal unterhalten.”, sagte Shui.
„Worüber denn?”, fragte Xie bissig.
„Warum willst du den Packt partu nicht eingehen?”
„Weil ich es ablehne, mit jemandem den Packt zu schliessen der mich nicht mag und den ich nicht mag.”
„Wie meinst du das?”
„Hör zu, ich hab keine Lust mein ganzes Leben an dich gebunden zu sein! Ich will nicht bis an mein Lebensende dir gehören.”
„Wer hat denn etwas von mir gehören gesagt? Der Packt bedeutet für uns doch nur, dass wir dann miteinander verbunden sind. Nicht mehr.”
„Das heisst, dass wir ein Leben lang zusammen sein müssen. Warum willst du unbedingt diesen Packt? Du kannst mich doch auch nicht leiden.”
„Das hab ich nie gesagt!”
Xie sah Shui schräg von der Seite an. Shui sah aber nur auf den Boden.
„Weisst du Xie, es ist nicht so, dass ich dich nicht leiden kann”, druckste Shui rum. „Genau das Gegenteil ist nämlich der Fall. Ich mag dich Xie. Du bist echt nett, manchmal zumindest. Ich sehe keinen Grund, warum wir nicht Freunde sein sollten. Ich meine, wenn wir uns beide etwas Mühe geben, dann wird das doch sicher klappen.”
Xie lachte.
„Was ist daran so witzig?! Ich schütte dir mein Herz aus und du lachst dich kaputt.”
„Sorry aber bei so viel Süssholzgeraspel muss ich einfach lachen. Ist ja nett von dir aber meine Meinung ändert das nicht. Bevor ich dein Leben zerstöre, sterbe ich lieber. Tu mir nur einen Gefallen und sorg dafür, dass Yu keinen Selbstmord begeht.”
Xie bückte sich und zog einen kleinen Dolch aus ihrem Stiefel. Sie ging zur Tür hinüber und stocherte mit dem Dolch im Türschloss herum. Ein leises Klicken war zu hören. Xie stiess mit einem Ruck die Tür auf und lief davon. Yu kroch hinter der Tür hervor. Er war so überrascht worden, dass Xie die Tür aufgestossen hatte, dass er direkt an die Wand hinter der Tür geklatscht wurde.
„Man, selbst ohne ihre Kräfte hat die noch Power für zwei”, sagte Yu und rieb sich den Kopf.
Shui stand regungslos im Türrahmen und sah Xie nach.
„Los, geh ihr nach!”, sagte Yu und stiess Shui in Xies Richtung.
„Xie, warte!”, rief Shui.
„Was denn noch?”, fragte Xie leicht genervt.
„Ich bin dir so dankbar, dass du Yu gerettet hast. Ich weiss, dass du dich dazu entschlossen hast aber ich will nicht, dass du stirbst. Auch wenn du mir nicht glaubst, ich hab dich wirklich gern.”
Shui liefen bei diesen Worten einige Tränen übers Gesicht. Xie sah Shui verwundert an.
„Macht es dir denn nichts aus, den Packt mit einem Halbdämon einzugehen?”, fragte Xie.
„Dass du Halbdämon bist haben Ri und ich doch schon vorher gewusst.”
„Wie? Seit wann?”
„Na ja, wie lange Ri es schon weiss, das weiss ich nicht so genau. Er hat es aber sicher schon gewusst, bevor du bei uns aufgetaucht bist. Ich habe es erfahren, weil ich zufällig gelaust hab, als du dich mit Yu darüber unterhalten hast.”
Shui wischte sich energisch die Tränen aus dem Gesicht und atmete tief durch. Xie sah Shui schweigend an. Xie sah über Shuis Schulter zu Yu. Auch Yu sah traurig aus.
„Und Xie, was denkst du?”, fragte eine Stimme hinter Xie.
Hinter ihr stand Ri. Er lächelte sanft. Xie hatte keine Ahnung, was sie antworten sollte. „Wir drei mögen dich nun mal, auch wenn das für dich befremdlich ist. So wie du bereit warst dein Leben zu geben um Yu zu retten, so wollen wir jetzt auch deins retten.”
Xie sah die drei nacheinander an. Noch nie hatte jemand so etwas zu ihr gesagt.
„Okay.”, sagte Xie schliesslich. „Aber macht schnell, bevor ich es mir noch anders überlege.”
„Hurra!”, rief Yu freudig.
„Wie viel Zeit haben wir noch?”
„Noch eine knappe halbe Stunde.”, sagte Ri.
„Also ran halten.”
Zwanzig Minuten später standen alle vier draussen im Garten. Shui und Xie standen sich gegenüber und hielten sich an den Händen. Der volle Mond schien auf sie hinunter und tauchte sie in ein wunderschönes Licht. Die beiden atmeten noch einmal tief durch und sprachen dann gemeinsam den Schwur:
„Sonne und Mond,
Tag und Nacht,
Licht und Dunkel,
Ying und Yang,
vereint sei was zusammengehört,
jetzt und für immer.”
Als die letzten Worte gesprochen waren, beugte sich Shui nach vorn und küsste Xie.
Xie stiess Shui die Faust in den Bauch und Shui bog sich vornüber.
„Tu das nie wieder!”, rief Xie empört.
„Wenn schon, dann richtig”, sagte Shui.
„Damit eins klar ist. Ich schlaf nicht mit dir in einem Bett, ich küsse dich nicht und Kosenamen kannst du gleich knicken, also komm ja nicht auf falsche Gedanken!”
„Die beiden hören sich schon wie ein richtiges Ehepaar an”, sagte Yu.
„Du hast recht”, sagte Ri.
„Hey Shui, wann ist denn die Hochzeit?”
„Die Hochzeit? Ich weiss nicht. Wie wär^s im Frühling, was meinst du Schatzi?”
„Du hast was vergessen, mein Lieber.”
„Was denn?”
„Ich habe meine Kräfte wieder.”
Ri legte seinen Arm um Yus Schultern und führte ihn ins Haus.
„Komm Yu”, sagte Ri. „Das lassen wir die Turteltauben mal allein ausdiskutieren.”
Es dauerte noch lange, bis Yu an dem Abend einschlief, denn noch stundenlang war im Garten das Kampfgetöse zu hören gewesen.
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